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Verbrannte Kinder: Mordprozess: Suizidversuch im Gefängnis
UPDATE. Im August 2011 verbrannte der angeklagte Däne seine Kinder, jetzt sollte seine Ex-Frau aussagen – sie kam vorerst umsonst.
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Potsdam - Die Vollzugsbeamten bemerkten bei ihrem Kontrollgang am Morgen um 5.30 Uhr nur ein lautes Schnarchen in Zelle 14149 der Justizvollzugsanstalt (JVA) Brandenburg/Havel. Aber Peter-Thue R. (40) ließ sich nicht mehr wecken und kam ins Krankenhaus. Es war ein Selbstmordversuch mit heimlich gehorteten Schlaftabletten. Wenige Stunden später sollte er am gestrigen Donnerstag am Landgericht Potsdam sitzen und sich anhören, was seine Ex-Frau Christina O. (40) zu sagen hat – über ihn und den zweifachen Mord an den beiden Töchtern, für den er sich in dem Prozess verantworten muss. Über mehrere Stunden blieb völlig unklar, ob der Prozess überhaupt fortgesetzt werden kann. Erst gegen Mittag verkündete der Vorsitzende Richter Frank Tiemann, dass R. außer Lebensgefahr sei.
Christina O., eine schlanke Frau mit dunklem Lockenhaar und traurigen Augen, war umsonst aus Dänemark nach Potsdam angereist. Matthias Schöneburg, der sie als Nebenkläger vertritt, fand harte Worte für den Dänen: „Wenn er sich aufgrund seiner Schuld umbringen will, hätte er das früher machen können. Aber das passt zu ihm, das war feige und egoistisch“, „ein theatralischer Versuch“ und eine neue „Machtdemonstration“ gegenüber der Mutter. Die wollte dem Gericht berichten, was ihr Ex-Mann im August 2011 kurz vor seinem Kurzurlaub mit den Kindern sagte. Wenn er beide und das Sorgerecht nicht bekomme, dann soll auch sie es nicht haben. Und das etwas passieren werde.
Vor Gericht hatte R. bereits gestanden, Sofie (9) und Marlene Marie (10) in einem Waldstück bei Börnicke am Autobahndreieck Havelland im Auto verbrannt zu haben, laut Anklage weil seine Ex-Frau das Sorgerecht zugesprochen bekam und er ihr die Kinder nicht gönnte. Er hatte die Mädchen erst mit einem Schlafmittel betäubt, dann im Wagen zwei Benzinkanister geleert und angezündet. Die Mädchen saßen angeschnallt auf der Rückbank und starben an den Folgen einer Rauchgasvergiftung und Verbrennungen vierten Grades. Die Staatsanwaltschaft glaubt ihm jedoch nicht, dass auch er sich umbringen wollte, dann aber in letzter Minute aus dem Auto sprang. Bereits vergangene Woche saß Christina O. als Zuschauerin im Gerichtssaal, sah die an die Wand projizierten Fotos der verkohlten Leichen. „Sie wollte vorbereitet sein auf das, was auf sie zukommt“, sagte Schöneburg. Als R. seine Ex-Frau entdeckte, war er schockiert, wie sein Anwalt Thomas Arndt berichtete. Die ganze Zeit wandte er sich vom Publikum ab und verbarg seine Augen hinter der Hand. „Meine Mandantin will eine Aussage im Angesicht des Angeklagten machen“, sagte Schöneburg. „Für sie ist es wichtig, ihm in die Augen zu schauen.“
Wenn R. wieder in die Untersuchungshaft zurückkehrt, steht er unter verschärfter Aufsicht und wird bei der Medikamenteneinnahme kontrolliert, statt Tabletten soll es nur noch Tropfen geben, kündigte das Justizministerium an. Bislang sei nur die Medikamentenabgabe überprüft worden, hieß es. „Ein Missbrauch ist nie gänzlich auszuschließen“, sagte ein Sprecher. Erst Ende Februar hätten die Ärzte ihn als nicht selbstmordgefährdet eingestuft. Bereits in Dänemark war R. in psychologischer Behandlung, bekam auch im Knast Antidepressiva und Schlaftabletten. Die Gerichtspsychologin bescheinigt ihm eine narzisstische Störung. R. selbst beschrieb sein Leben als gescheiterte Existenz mit Selbstmordgedanken, abgebrochenen Ausbildungen und wechselnden Jobs. Bei Problemen verlor er den Ehrgeiz.
Der Prozess wird durch den Suizidversuch nicht verzögert. Nächste Woche sollen Zeugen aus dem Umfeld des Angeklagten gehört werden. Christina O., aber auch Mutter und Tante von Peter-Thue R. müssen erst Anfang Mai wieder kommen, zu einem vorsorglich eingeplanten Ersatztermin. Für Christina O. ist es „eine Belastung“, sagt Anwalt Schöneburg. Den Selbstmordversuch aber betrachte sie „emotionslos“.
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