Brandenburg: Müllstreit über 100 Millionen Euro
Zwölf Kreise verklagen das Land: Sie weigern sich, die Folgekosten für ehemalige Deponien zu tragen
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Potsdam - Mächtige Lastwagenreifen liegen zwischen Birken und Gräsern, ein rostender Transporter, ein Radlader ohne Scheiben, Dutzende von Schuttcontainern. Hinterlassenschaften wie diese im Gewerbegebiet Germendorf (Oberhavel) gibt es Dutzende im Land. Die Betreiber der Zwischenlager oder Recyclinghöfe sind längst über alle Berge oder einfach so pleite, dass bei ihnen nichts mehr zu holen ist. Dagegen ist der Müll noch da.
Seit Jahren streiten sich Land und Kommunen, wer dafür zuständig ist. Nun klagen zwölf der 14 Landkreise vor Verwaltungsgerichten gegen das Umweltministerium. Grundsätzlich ist alles klar: Mülllager werden vom Landesumweltamt beziehungsweise untergeordneten Behörden genehmigt. Damit wäre das Land – wenn kein Betreiber oder Eigentümer zur Verantwortung gezogen werden kann – zuständig für die Folgekosten. Wird Müll hingegen wild abgelagert, ist der Kreis in der Pflicht. Das alles regelt eine sogenannte Zuständigkeitsverordnung seit elf Jahren, erklärt Bernhard Remde, Abteilungsleiter im Ministerium.
Für Ärger sorgte dann aber im August 2006 ein Rundschreiben Remdes. Darin werden die Zuständigkeiten erläutert wie folgt: Ist die Genehmigung erloschen und beim Betreiber kein Geld mehr vorhanden, sind die Kreise als „untere Abfallwirtschaftsbehörde“ zuständig. Der Geschäftsführer des Landkreistages, Paul-Peter Humpert, schüttelt über diese Rechtsauffassung den Kopf. „Das Problem schwelt seit Jahren, das Ministerium hat aber bislang alle Gesprächsanfragen ignoriert.“ Die zwölf klagenden Kreise beziffern die voraussichtliche Gesamtsumme der Müllbeseitigung mit rund 100 Millionen Euro.
„Spitzenreiter“ ist der ohnehin finanziell angeschlagene Kreis Uckermark. Hier schätzt ein Gutachten im Auftrag der Verwaltung die Kosten für die Abfallbeseitigung in sechs Anlagen auf rund 38,3 Millionen Euro. An zweiter Stelle folgt der Kreis Potsdam-Mittelmark mit rund 17 Millionen Euro. „Wir führen das Verfahren auch, weil wir befürchten, dass es weitere Fälle geben wird“, sagt die Sprecherin des Kreises Oberhavel, Patricia Schuster. Hier werden die Kosten für die Müllbeseitigung in Germendorf auf 3,3 Millionen Euro geschätzt.
Nur die Kreise Märkisch-Oderland und Oder-Spree haben laut Humpert noch keine Klage eingereicht. Der Potsdamer Anwalt Matthias Dombert vertritt sechs der Kläger. „Das Land hat mit dem Rundschreiben getrickst“, sagt er. Normalerweise müsse es Aufgaben, die es den Kreisen überträgt, bezahlen. Diesen Zusammenhang beschreibt das Konnexitätsprinzip. Indem das Land aber per Rundschreiben angeblich nur eine Verordnung interpretiere, wolle es dieses Prinzip und die damit verbundenen Kosten umgehen.
Dem widerspricht Remde vehement. Alles sei bereits in der geltenden Verordnung geregelt. Von neuen Aufgaben der Kreise könne keine Rede sein. Im Übrigen seien die Abfälle, um die es hier in der Regel gehe, weitgehend ungefährlich – sonst müssten die Behörden eingreifen. So aber würde es meist genügen, etwa alte Reifen mit Sand zu bedecken, um Brandstiftungen zu vermeiden. Auch das weist Humpert zurück. „Mit einer Schippe Sand ist es hier nicht getan.“
Matthias Benirschke
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