Brandenburg: Nachhilfestunden nach Scientology-Methode
In Berlin unterrichten mehrere Privatlehrer, die der umstrittenen Organisation nahestehen. Schulleiter informierte Eltern nicht
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Berlin - In Berlin gibt es Nachhilfe- und Studienförderkurse der Organisation „Applied Scholastics“, deren Lernmethoden von Ron Hubbard, Stifter der umstrittenen Organisation Scientology, entwickelt worden sind. Applied Scholastics operiert im Umfeld von Schulen und Universitäten. Nach Recherchen dieser Zeitung arbeiten zurzeit drei Berliner Nachhilfelehrer nach Hubbards Methoden, ein vierter wird in Kürze beginnen. Eine der Nachhilfelehrerinnen, eine Scientologin, bietet als Mutter außerdem einen Sprachförderkurs an einer Spandauer Grundschule an. Der Leiter dieser Schule sagt, dass er sich von der Mutter schriftlich habe zusichern lassen, dass sie in keiner Weise Bücher von Scientology verwende noch deren Gedankengut verbreite. Nur unter dieser Voraussetzung laufe die Leseförderung. Er hielt es nicht für nötig, die Eltern der anderen Kinder zu informieren. „Jeder kann glauben, was er will. Ich denke nicht daran, jemanden über ihre Gesinnung aufzuklären“, sagte der Schulleiter. Anne Rühle, Sprecherin der Bildungsverwaltung, kündigt an, dass die Schulaufsicht den Fall umgehend prüfen müsse. Die Mutter gibt an, ihr Unterricht habe nichts mit Religion zu tun, es ginge „in keinster Weise um geistige Dinge“. Sie habe nicht die Absicht, die Kinder zu überzeugen.
Johann Altendorfer, Sprecher von Applied Scholastics, sagt, dass man Kindern, aber auch Erwachsenen lediglich helfen wolle, einen beliebigen Stoff zu lernen. Es gebe einige Gruppen in Deutschland. Genaue Zahlen könne er nicht nennen. Auch Sabine Weber, Sprecherin von Scientology, sagt, dass „natürlich keine Gefahr“ von Applied Scholastics ausgehe. Es handele sich um ein säkulares Programm, das nichts mit der Weltanschauung von Scientology zu tun habe. Es werde ganz normaler Schulstoff mit ganz normalen Lexika vermittelt. „Niemand wird veranlasst, Scientologe zu werden.“ Die Lernerfolge nach Ron Hubbards Methoden seien „hervorragend“ und über deren Ausbreitung sei Scientology „nicht unglücklich“. In Deutschland seien viele Menschen daran interessiert. „Es gibt einen großen Bedarf, nachzuholen, was Schulen nicht leisten können“. Deutschland brauche Hilfe in Bildungsfragen.
Helga Lerchenmüller, Sektenberaterin der Verbraucherorganisation Aktion Bildungsinformation (ABI) sagt hingegen, Applied Scholastics betreibe „vorbereitende Werbung für die nächste Generation der Scientologen“. Man könne nicht ausschließen, dass Eltern durch die Nachhilfe ihrer Kinder auch andere Scientology-Kurse angeboten würden. Applied Scholastics sei der Einstieg in das Gedankengut von Scientology und weise bereits manipulative Elemente auf. Kinder würden in ihrem Sprachverständnis völlig verunsichert.
Der Berliner Verfassungsschutz hat die Beobachtung von Scientology im Jahr 2003 nach einem Verfahren des Verwaltungsgerichts eingestellt, wie Sprecher Claus Guggenheim sagt.
Heinz-Peter Meidinger, Vorsitzender des Deutschen Philologenverbandes, hatte am Donnerstag vor einem wachsenden Einfluss der Scientology-Organisation durch Nachhilfe-Institute gewarnt. Er sagt, dass nicht Berlin, sondern Süddeutschland und Hamburg als Zentren der Bemühungen von Applied Scholastics gelten. Bisher betreibe die Organisation in Deutschland elf Institute. Seine Warnung sei als ein „wehret den Anfängen“ zu verstehen. Gerade der unübersichtliche Markt privater Nachhilfeanbieter mache es schwer, den Einfluss der Scientologen zu überprüfen. Der Bundesverband der Nachhilfe- und Nachmittagsschulen VNN verpflichtet seine Mitglieder, eine Klausel zu unterschreiben, nichts mit Scientology zu tun zu haben.
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