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Von Jana Haase: Namensfrage
Öko-Riese Naturland droht einem Umweltverein in Oder-Spree. Das rigorose Vorgehen ist kein Einzelfall
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Rietz-Neuendorf/München - Am Montag trifft sich im Gut Hirschaue immer die „Arbeitsgemeinschaft Naturforscher“. Insektenhotels haben die Kinder der Oder-Spree-Gemeinde Rietz-Neuendorf südöstlich von Berlin da schon gebaut oder Vogelnistkästen, die sie dann im Gutspark aufgehängt haben. Sie haben Bio-Gerichte gekocht und zuletzt im Frühjahr ein Kräuterbeet angelegt. Damit könnte bald Schluss sein. Denn der Verein NaturLandLeben, der diese Nachmittage kostenlos für die Kinder organisiert, wird bedroht – ausgerechnet vom weltweit tätigen Öko-Verband Naturland mit Sitz in Gräfelfing bei München.
Der Anwaltsbrief aus München kam Mitte April per Einschreiben. „Wir dachten, das darf doch wohl nicht wahr sein“, erzählt Wolfgang Zwenger, Gründungsmitglied und Schatzmeister von NaturLandLeben. Seit Mai 2009 gibt es den Verein, ins Leben gerufen wurde er von zwölf Gemeindebewohnern, denen nicht nur der Naturschutz am Herzen liegt, sondern auch das kulturelle Leben in der strukturschwachen Landregion, in der es Umweltbildungsangebote wie die „AG Naturforscher“ vorher schlicht nicht gab. „Nach nur einem Jahr stehen wir schon an der Wand“, sagt Wolfgang Zwenger.
Denn die Münchener Anwälte der Kanzlei von Boetticher Hasse Lohmann forderten den ostbrandenburgischen Umweltverein im Namen von Naturland auf, künftig auf den Vereinsnamen zu verzichten und eine entsprechende Unterlassungserklärung zu unterschreiben. Der Öko-Riese mit mehr als 50 000 Mitgliedern sieht sich wegen der Namensüberschneidung im Wettbewerb benachteiligt, heißt es zur Begründung.
Und damit nicht genug: Wegen des auf 125 000 Euro taxierten Streitwertes wird für NaturLandLeben ein Anwaltshonorar von mehr als 2100 Euro fällig – selbst dann, wenn sie den Namen fristgerecht, bis zum kommenden Montag, ändern. Unterzeichnet der Verein die Erklärung nicht, drohen die Anwälte mit Folgekosten in Höhe von insgesamt 15 300 Euro.
Allein die verlangten Anwaltskosten übersteigen die Vereinskasse um ein Vielfaches, erlkärte Schatzmeister Zwenger den PNN. „Wir werden der dreisten Forderung nicht nachkommen“, sagt er. Der veranschlagte Streitwert sei „irreal“, NaturLandLeben könne als gemeinnütziger Verein gar kein Wettbewerber für Naturland sein.
Tatsächlich gebe es aktuell keinen Wettbewerb, räumt Naturland-Geschäftsführer Steffen Reese auf PNN-Anfrage ein: „Aber rein theoretisch könnte er irgendwann zu Tage treten.“ NaturLandLeben verfolge „zum Teil die gleichen satzungsgemäßen Ziele wie wir“. Dass der kleine brandenburgische Verein per Anwaltsschreiben kontaktiert wurde, bewertet Reese als „unglücklich“: „Es wäre gescheiter gewesen, da vorher mal anzurufen und mit denen zu sprechen“, räumt er ein. Naturland verfolge „mitnichten das Ziel, diesen Verein auszulöschen“, betont Reese: „Da findet positive Arbeit statt.“
Auch zur Übernahme der Anwaltskosten erklärte sich der Naturland-Chef gegenüber den PNN bereit. Dem brandenburgischen Verein sollten „keine weiteren Kosten entstehen“. Auf der Namensänderung aber müsse er bestehen. Denn Naturland sei gegenüber seinen Partnern verpflichtet, den Namen zu schützen, andernfalls könnten später entstehende Schäden durch die Namensüberschneidung finanziell an Naturland hängen bleiben, erklärt Reese.
Es ist nicht das erste Mal, dass der Ökoverband Naturland rigoros gegen Namensüberschneidungen vorgeht. Den Landhof Wünsch e.V. im Geiseltal in Sachsen-Anhalt kostete der Streit um den Namen vor zwei Jahren rund 6500 Euro, sagt Andreas Schimpf vom Vereinsvorstand den PNN. Das 2002 gegründete Hof-Projekt für Jugendgruppen, Familien und Behinderte hieß zuvor Naturlandhof Wünsch. „Wir haben uns Naturland schließlich unterworfen, um die Kosten im Rahmen zu halten“, so Schimpf.
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