Brandenburg: „Natürlich kein Luxus“
Helmut Brocke von Transparency International über korrupte Beamte und Politiker – und die Frage, wann Geschenke noch angemessen und erlaubt sind
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In Brandenburg gibt es immer wieder Korruptionsfälle bei Landräten und Bürgermeistern. Aktuell in Guben, aber auch im Landkreis Teltow-Fläming. Es geht um Vorteilsannahme und Untreue. Was darf ein Beamter oder ein Mitarbeiter einer öffentlichen Verwaltung als Geschenk eigentlich annehmen?
Das ergibt sich aus dem Beamtenrecht bzw. dem Tarifrecht für den öffentlichen Dienst. Bürgermeister und Landräte sind Wahlbeamte, auf die das Landesbeamtenrecht anzuwenden ist. Demnach dürfen Beamte, also auch Bürgermeister und Landräte, grundsätzlich keine Geschenke, Belohnungen und Einladungen annehmen. Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Annahme von Vorteilen ausdrücklich genehmigt werden. Kleine Aufmerksamkeiten und Einladungen, die angemessen und üblich sind, gelten in der Regel pauschal als genehmigt. Für Beschäftigte der Landesverwaltung Brandenburg ist dies in der Verwaltungsvorschrift zur Annahme von Vorteilen eindeutig geregelt. Die Landesregierung hat diese Vorschrift den Kommunen ausdrücklich zur Anwendung empfohlen.
Die Staatsanwaltschaft argumentiert im Fall des Ludwigsfelder Bürgermeisters, Frank Gerhard, dass eine Reise zu einem Schweizer Unternehmen und die Leistungen des Unternehmens im Wert von 1 700 Euro nicht mehr sozialadäquat waren. Was heißt das?
Das Strafrecht kennt einen Begriff, der die Strafbarkeit wegen Vorteilsannahme einschränkt. Als sozialadäquat können solche Leistungen angesehen werden, die der Höflichkeit oder Gefälligkeit entsprechen sowie sozial üblich und auch allgemein gebilligt sind. Ob eine Leistung noch sozialadäquat ist, hängt letztlich auch von der Stellung des Beschäftigten im öffentlichen Dienst ab. In diesem Fall hat die Justiz wohl festgestellt, dass die Dienstreise zu opulent ausgefallen ist. Vergleichbare Vorgänge haben in den letzten Jahren zu entsprechenden Verurteilungen von Hauptverwaltungsbeamten geführt.
Aber was heißt es, wenn etwas sozialadäquat oder laut Beamtenrecht üblich und angemessen ist?
Wenn ein Beamter dienstlich ein Unternehmen besucht, dann kann es üblich und angemessen sein, wenn er dabei etwa zu Schnittchen oder einem einfachen Essen eingeladen wird. Ein Opernbesuch und aufwendiges Abendessen auf Kosten des Gastgebers sprechen gegen Sozialadäquanz bzw. Angemessenheit. Auch aus der Sicht eines normalen Bürgers gehen solche aufwendige Einladungen nicht in Ordnung; der Bürger weiß schon, was sein Bürgermeister annehmen darf, ohne dass der Verdacht der Unredlichkeit aufkommt.
Wie sieht es bei Geschenken aus, wo ist die Grenze, bei der Torte, beim Whisky?
Dafür gibt es eben die Verwaltungsvorschriften zum Verbot der Annahme von Vorteilen. Bei der Landesverwaltung Brandenburg sind es 15 Euro pro Zuwendungsgeber in einem Jahr, bis zu dieser Grenze dürfen Beschäftigte Geschenke ohne ausdrückliche Zustimmung der Dienstbehörde annehmen. Darüber hinaus ist eindeutig festgelegt, wer unter welchen Voraussetzungen Einladungen Dritter folgen darf.
Aber was ist so ein angemessenes Geschenk?
Eine Flasche Wein, ein kleiner Blumenstrauß, bei Treffen mit Unternehmen können es auch ein Block und ein Kugelschreiber sein, natürlich kein Luxus, kein Montblanc-Kugelschreiber. Insoweit ist es erforderlich, dass jede Behörde, auch jede Kommune bestimmte Wertgrenzen festlegt.
Nun könnte man doch erwarten, dass Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst das wissen als Staatsdiener.
Insbesondere sollten Hauptverwaltungsbeamte mit dem Recht zum Verbot der Vorteilsannahme vertraut sein. Jede Kommune muss für ihre Beschäftigten eindeutige Verwaltungsvorschriften erlassen, die die Zulässigkeit der Annahme von Vorteilen konkret regeln. Wenn eine Kommune kein entsprechendes Regelwerk hat, so ist dies ein klares Versäumnis des jeweiligen Bürgermeisters oder Landrats.
Warum, wo ist das Problem bei den Kommunen?
Kommunen in Brandenburg könnten einfach die Verwaltungsvorschriften des Landes Brandenburg übernehmen oder entsprechende Dienstanweisungen erlassen. Viele Kommunen - gleich ob Vertretungskörperschaft oder Verwaltungsleitung - haben aber das Problem, sich überhaupt mit dem Thema Korruption zu befassen. Jemand könnte ja glauben, dass ein konkreter Korruptionsfall vorliegt. Lieber wird das Thema totgeschwiegen. Die Folge ist, dass notwendige präventive Maßnahmen nicht durchgeführt werden.
Und wo kein Gesetz, kein Kläger....
Wir stellen immer wieder fest, dass Kommunalbeschäftigte ins Schwimmen geraten, wenn es um die Annahme von Geschenken und Einladungen geht, sie wissen nicht, wo die Grenzen liegen. Erst vor Gericht oder im Disziplinarverfahren kommt dann die Erleuchtung. Wichtig sind eindeutige und klare Regelungen für die Beschäftigten. Es gibt Behörden wie Polizei und Finanzämter, in denen Mitarbeiter überhaupt nichts annehmen dürfen. Aber wenn schon die Verwaltungsspitze die allgemeinen Regeln nicht beachtet, hat die Behörde ein Riesenproblem. Unsere Erfahrung ist: Wo die Spitze korrekt arbeitet, läuft es meistens auch in der Gesamtverwaltung ordentlich. Man kann von einfachen Mitarbeitern nicht mehr verlangen als von den Hauptverwaltungsbeamten.
Im Fall des Bürgermeisters von Ludwigsfelde und Landratskandidaten Gerhard argumentierte die SPD in Teltow-Fläming, er habe unwissentlich eine Straftat, nämlich die Vorteilsannahme, begangen.
Landräte und Bürgermeister müssen sich mit den einschlägigen Vorschriften vertraut machen oder sich entsprechend beraten lassen. Insoweit können auch die jeweiligen Aufsichtsbehörden angesprochen werden. Wenn Spitzenbeamte üppige Einladungen und Reisen annehmen, ist das nicht angemessen und üblich. Landräte und Bürgermeister müssen immer auch Vorbild sein. Wie sonst sollen sie die Vorschriften zum Verbot der Vorteilsannahme gegenüber den Mitarbeitern durchsetzen? Transparency International fordert deshalb, dass die Hauptverwaltungsbeamten eindeutige Regelungen zu den Ausnahmen vom Verbot der Vorteilsannahmen erlassen und diese auch selbst strikt einhalten.
Die SPD verteidigt den betroffenen Bürgermeister vehement. Die Partei hält die Interpretation der Staatsanwaltschaft sogar für so weit hergeholt, dass sich jeder Bürgermeister fragen müsse, ob er mit dem Sponsor seines örtlichen Sportvereins noch ein Bier trinken darf. Zudem pocht die SPD darauf, der Bürgermeister habe ja nur für seinen Standort und Arbeitsplätze gekämpft.
Das sind Totschlagargumente. Damit wird die ganze Bekämpfung und Prävention von Korruption im öffentlichen Bereich infrage gestellt. Die gute Absicht, die Wirtschaft in der Stadt zu fördern, rechtfertigt nicht das Vergehen im Amt. Das Problem sind insbesondere die Zuwendungen von Unternehmen, die sich damit das Wohlwollen von Entscheidungsträgern erkaufen. Solche Vorgänge gehören bestraft. Natürlich darf sich ein Bürgermeister auch künftig zu einem Bier einladen lassen.
Es gibt also offenbar noch viel zu tun in den Kommunen?
Es gibt nur einen Weg, man muss die Korruptionsprävention offensiv angehen. Es gibt keine Behörde, keine Kommune, die frei von Korruption ist. Ausschreibungen und Vergaben, Grundstücksverkäufe, Baugenehmigungen, Subventionen sind immer ein Einfallstor für Korruption. Man kann aber Maßnahmen zum Eindämmen und Verhindern ergreifen. Und da gibt es Standards, die weltweit gelten, wie jährliche Fortbildung, Festlegung von korruptionsgefährdeten Arbeitsplätzen, Rotation, Mehraugenprinzip, Hinweisgebersystem, Anti-Korruptionsbeauftragter, Regeln zum Sponsoring, Beachtung der Grundsätze zu Vergaben, aber auch eindeutige Regeln zum Verbot der Vorteilsannahme.
Das Gespräch führte Alexander Fröhlich
Helmut Brocke, Anwalt und Berater, leitet die Arbeitsgruppe Kommunen bei Transparency International. Er war Spitzenbeamter, Geschäftsführer von Kommunalfirmen und Direktor der WestLB.
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