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Brandenburg: Neonazi zum zweiten Mal überfallen

Ermittler vermuten: Lichtenberger Rechtsextremist sollte vor Prozess eingeschüchtert werden

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Berlin - Zum zweiten Mal innerhalb von drei Monaten ist der bekannte Berliner Rechtsextremist Sebastian Z. am Freitagabend von Vermummten überfallen worden. Die beiden Unbekannten griffen den 20-Jährigen in dem Moment an, als er aus seinem Haus in Berlin-Lichtenberg trat, um seinen Hund auszuführen. Sie hielten ihm einen Schlagstock vor das Gesicht und drohten: „Überlegt euch gut, was ihr sagt, sonst machen wir euch kalt.“ Als sich ein Auto näherte, sprühten ihm die Angreifer Pfefferspray ins Gesicht und flüchteten. So schilderte Z. der Polizei später den Vorfall. Ein Sanitäter der Feuerwehr half ihm beim Ausspülen der Augen, sonst blieb er unverletzt.

Der Überfall geschah in der gleichen Woche, in der die Solidarisierungswelle für den mutmaßlichen Täter des ersten Überfalls ihren Höhepunkt erreichte. Matthias Z. sitzt seit drei Monaten in Haft, die Anklage wegen versuchten Totschlags ist gerade fertig geworden. Damals soll Matthias Z. mit zwei unbekannten Gesinnungsgenossen Sebastian Z. und dessen Lebensgefährtin Stefanie P. am Bahnhof Lichtenberg mit Teleskopschlagstöcken niedergeschlagen haben. Ermittler werten den Überfall von Freitagabend als Einschüchterungsversuch vor dem bald beginnenden Prozess. Matthias Z. schweigt. Bei einer Wohnungsdurchsuchung hatte die Polizei unter anderem Schlagwerkzeuge sichergestellt.

Bei einer Verurteilung wegen versuchten Totschlags drohen Matthias Z. jetzt mehrere Jahre Gefängnis. Politiker, Gewerkschafter und Juristen fordern jedoch unterdessen die Freilassung des Friedrichshainers. Nach Auskunft seines Anwalts, Daniel Wölky, gebe es „keine Beweise“ für die Tatbeteiligung seines Mandanten. Der „Arbeitskreis Kritischer Juristen“ wirft der Polizei sogar „unsaubere Ermittlungen“ vor. Die beiden Rechtsextremisten hätten der Polizei kurz nach der Tat ein Foto von Z. gezeigt und angegeben, ihn als einen der vermummten Angreifer erkannt zu haben. Daraufhin wurde Z. observiert, sein Telefon überwacht und schließlich verhaftet.

Für Anwalt Wölky ist der Tatvorwurf „an den Haaren herbeigezogen“: An den mehr als 50 bei Z. beschlagnahmten Kleidungsstücken sowie den Schlagstöcken habe die Polizei keine Spuren gefunden, die für eine Tatbeteiligung seines Mandanten sprächen. „Auffällig ist, dass Z. als Belastungszeuge in einem anderen laufenden Prozess gegen einen der Neonazis auftritt“, sagt Wölkys Kölner Kollege Björn Gercke, der wegen der schwere des Tatvorwurfs als zweiter Verteidiger hinzugezogen worden ist.

Zweifel an der Schuld von Z. haben auch die beiden PDS-Bundestagsabgeordneten Gesine Lötzsch und Sevim Dagdelen geäußert. So wie die beiden Bundespolitiker fordert Benedikt Lux, der für die Grünen im Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses sitzt, die Staatsanwaltschaft ebenfalls zur erneuten Prüfung der Haftgründe auf. Lux hält die beiden Opfer für unglaubwürdig: „Das jetzige Vorgehen der Behörden ist eine Einladung an Neonazis, mit privat gemachten Fotos linke Demonstranten zu belasten.“ Es sei ein Skandal, dass sich die Staatsanwaltschaft vor allem auf die Aussage zweier Neonazis stütze, meint auch Evrim Baba (Linkspartei.PDS), Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses.

Matthias Z. hat noch mehr Unterstützer: Der Landesvorstand der SPD-Jugendorganisation Jusos und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi fordern mittlerweile dessen Freilassung. „Wir gehen davon aus, dass unser Kollege Matthias unschuldig ist“, sagte Andreas Köhn, stellvertretender Verdi-Landesbezirksleiter. Es sei unverständlich, weshalb es bei dieser Beweislage keine Haftverschonung für den Heranwachsenden gebe.

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