Brandenburg: Ness: CDU in „tiefer Verunsicherung“
Schönbohms Kritik an Bundespartei facht Debatte über ungelöste Probleme in der märkischen Union an
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Potsdam - „Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen“ – so kommentierte ein Mitglied des CDU-Landesvorstandes gestern die Kritik von Landeschef und Innenminister Jörg Schönbohm am Erscheinungsbild der Bundespartei. „Damit hat Schönbohm eine Debatte über die ungelösten Probleme in Brandenburgs CDU losgetreten wie ihre geringen Sympathiewerte beim Wähler, die er mit zu verantworten hat“, so das Vorstandsmitglied. „Das war nicht besonders geschickt.“
Schönbohm, der dem Präsidium seiner Partei angehört, hatte am Wochenende erklärt, dass die Union auf Bundesebene durch ihren verschwommenen Kurs ihre Stammwähler vergraule. Sie müsse ihr Profil in der Großen Koalition schärfen und stärker herausstellen, was sie von der SPD unterscheide: das christliche Menschenbild und die Freiheit. Sofort flammte der Streit um die Neuausrichtung der Landes-CDU wieder auf: Schönbohms Kritik treffe auch die Landes-CDU erklärte der Landtagsabgeordnete Dierk Homeyer. Der Kurs von Generalsekretär Sven Petke, durch „Sozialdemokratisierung“ neue Wähler zu gewinnen, habe zu einem „diffusen Bild“ über ihren Kurs geführt. Petke hatte im Frühjahr für Unruhe und Unmut gesorgt, als er ankündigte, dass die märkische CDU in der Familien- und Sozialpolitik zeitgemäßere, für Brandenburg angemessene Antworten finden müsse und sich für höhere Kita-Standards aussprach. Der wertkonservative Schönbohm hatte das in der Vergangenheit abgelehnt. Christdemokraten geben zu, dass Homeyers Meinung „nicht von der Hand zu weisen“ sei, da die Äußerungen von Schönbohm und Petke beim Wähler diffus wirkten. Dass der 67-jährige Schönbohm selbst wenig zur Klärung beiträgt, führen sie darauf zurück, dass er den Parteivorsitz 2007 an Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns abgibt: „Er ist entrückt.“ Petke selbst verteidigte den Kurs: „Wir müssen Konsequenzen aus dem schlechten Abschneiden ziehen.“ Unterschiedliche Meinungen seien normal.
In der Partei wird allerdings beklagt, dass es keine offene Debatte gibt. „Bestimmte kritische Positionen werden in der Partei nicht diskutiert“, kritisiert zum Beispiel der Potsdamer Kreischef Wieland Niekisch. Als Beispiel führt er ein vom Kreisvorstand Potsdam 2005 beschlossenes kritisches Grundsatzpapier an, das in Schubladen des Landesvorstandes verstaube.
Auch die SPD griff gestern das Thema auf: SPD-Generalsekretär Klaus Ness konstatierte, dass beim Koalitionspartner eine „tiefe Verunsicherung“ über den künftigen Kurs herrsche. Schönbohm verteidige alte CDU-Positionen, die Petke und andere für die Wahlniederlagen ihrer Partei verantwortlich machten. Allerdings seien Petkes soziale Pläne eher taktischer Art, da Schönbohms Positionen nicht mehrheitsfähig seien. Petke schoss zurück: Die SPD sei inhaltlich ausgebrannt, bei ihr herrsche Funkstille.
Michael Mara
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