Von Michael Erbach: Neuanfang mit Charme-Offensive
Brandenburgs anerkannte Kultur- und Wissenschaftsministerin Johanna Wanka übernimmt CDU-Vorsitz
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Potsdam – Der Auftritt von Ulrich Junghanns gestern Vormittag im überfüllten Sitzungsraum 8.01 des Potsdamer Landtags war kurz. Der CDU-Wirtschaftsminister verlas eine Erklärung, mit der er seinen „sofortigen Rücktritt“ als Landesvorsitzender der brandenburgischen Christdemokraten bekannt gab. Dabei betonte er mehrfach, dass er selbst es gewesen sei, der nach dem Debakel bei der Kommunalwahl die Diskussion um die Führungsspitze im Landesverband „angestoßen und mit geführt“ habe. Bei den Kommunalwahlen am 28. September hatte die Partei landesweit nur noch 19,8 Prozent der Stimmen erhalten und war damit abgeschlagen hinter SPD und Linkspartei gelandet. Auf Landesebene regiert die CDU gemeinsam mit der SPD in einer großen Koalition.
Die Nachfolgerin von Junghanns, Kultur- und Wissenschaftsministerin Johanna Wanka, betonte im anschließenden Pressegespräch, dass Junghanns schon im Sommer seine Bereitschaft erklärt habe, den Vorsitz abzugeben, „wenn es gelingt, den Neuanfang zu gestalten“. Genau dies, so betonten Wanka und der von der Landeschefin vorgeschlagene künftige Generalsekretär Dieter Dombrowski, sei gelungen. „Wir waren nicht erfolgreich. Wir haben zwar eine gute Politik gemacht, das ist aber nicht honoriert worden – eine streitbeladene Partei wird nicht über Inhalte wahrgenommen“, sagte die Ministerin. Die Gespräche in den vergangenen Wochen hätten dazu gedient, „wieder Vertrauen aufzubauen“. Jetzt gehe es darum, nach vorne zu blicken. „Es ist keine Zeit für Abrechnungen.“ Dombrowski erklärte, dass Vergangenheitsbewältigung in der Partei nicht so zu verstehen sei, „dass das Vergangene ständig aufgewühlt wird. Wir konzentrieren uns auf die Schlussfolgerungen.“
Eine Schlussfolgerung ist offenbar ein geschlossenes Auftreten gegenüber der Öffentlichkeit und der eigenen Basis. Junghanns selbst stellte sich gestern diesbezüglich in den Dienst der Partei: Er vollzog keine Abrechnung mit den innerparteilichen Gegnern. Nach dem Verlesen der Erklärung verließ er den Raum, ohne auf Journalistenfragen zu antworten. Dennoch wirkte er angeschlagen, sein Blick war leer, das Gesicht gerötet. Wanka hingegen wirkte entspannt und entschlossen zugleich.
Ein Hintergrund für den Wechsel an der Spitze der Landes-CDU könnte neben dem schlechten Abschneiden bei den Kommunalwahlen auch das kommende Jahr mit einem geschichtsträchtigen Datum sein: dem 20. Jahrestag des Mauerfalls. Junghanns war zu DDR-Zeiten letzter Vorsitzender der Demokratischen Bauernpartei Deutschlands und hatte den Bau der Mauer verteidigt. Zumindest befürchtete die CDU, wegen der Vergangenheit von Junghanns bei den Wahlkampfauseinandersetzungen in die Defensive zu geraten.
Wanka hingegen trat im Frühjahr 1989 in die Politik ein. Als Mitstreiterin der DDR-Bürgerbewegung gehörte sie zu den Gründungsmitgliedern des „Neuen Forums“ in Merseburg. Im Jahr 2000 holte der damalige Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) die parteilose Hochschulprofessorin ins Kabinett. Ein Jahr später trat sie in die CDU ein. Während Junghanns als Wirtschaftsminister zwar kompetent, zugleich aber auch als trocken und bieder gilt, gehört Johanna Wanka zu den beliebtesten Landespolitikern. Ihr Wirken als Kultur- und Wissenschaftsministerin wird weitgehend positiv bewertet.
Mit dem Rücktritt von Junghanns geht zunächst ein bitteres Kapitel in der Geschichte der brandenburgischen CDU zu Ende. Junghanns hatte sich Anfang 2007 in einem parteiinternen Machtkampf nur knapp gegen den früheren Generalsekretär Sven Petke durchgesetzt. Dieser hatte 2006 infolge der sogenannten E-Mail-Affäre auf Druck des damaligen Landeschefs Jörg Schönbohm sein Amt aufgeben müssen. Nur einen Tag nach seinem Rücktritt hatte Petke seine Kandidatur für das Amt des Landesvorsitzenden angekündigt – und damit einen erbitterten Machtkampf ausgelöst. Im neuen Landesvorstand hatten die Petke-Anhänger die Mehrheit.
„Petke hat sich vollständig durchgesetzt“, hieß es gestern am Rande der Pressekonferenz von Wanka. Mit Dieter Dombrowski als Generalsekretär, der Kreisvorsitzenden von Potsdam-Mittelmark Saskia Funck als Bewerberin für einen Stellvertreterposten und dem neuen Schatzmeister Christian Ehler habe das bisherigen Petke-Lager Spitzenpositionen eingenommen. Nein, ihre Nominierung sei kein Sieg für das Petke-Lager gewesen, konterte Wanka: „Wenn ich das so sehen würde, wären wir wieder beim alten Schema-Denken.“ Das war das Einzige, was sie sich zum Thema Vergangenheit entlocken ließ.
Petke selbst zeigte sich gestern gut gelaunt. „Es macht wieder Spaß, in der CDU mitzuarbeiten“, sagte der Partei-Vize und innenpolitische Sprecher der Landtagsfraktion den PNN. Zugleich zollte er Junghanns Respekt für seine Entscheidung. Dieser habe mit seinem Rücktritt eine Entwicklung eingeleitet, die es ermögliche, „die Kräfte zu bündeln und Erfolg zu haben“. Petke: „Wir müssen aus dem Tal der Tränen herauskommen.“ Dies werde aber nur gelingen, „wenn alle fair beteiligt werden“. Er sei dazu bereit. Petke sagte, er wolle bei der nächsten Vorstandswahl erneut für einen der Posten als Vize-Landeschef kandidieren. „Ich stelle mich ausdrücklich hinter die Wahl von Johanna Wanka“, sagte Petke.
Wanka soll am 29. Oktober vom Landesvorstand als amtierende Parteichefin eingesetzt und auf dem Landesparteitag am 17. Januar gewählt werden. Zur Wahl stehen dann auch Generalsekretär Dieter Dombrowski und Saskia Funck, die den frei werdenden Stellvertreter-Posten von Wanka einnehmen möchte.
Die neue Landeschefin will neben der personellen Erneuerung auch inhaltlich neue Akzente setzen. Zwar werde die CDU „zu gegebener Zeit“ ihr Wahlkampfprogramm vorstellen, aber neben den klassischen Themen wie Innovation, Arbeitsplätze und der Balance zwischen Sicherheit und Freiheit wolle sich die brandenburgische CDU verstärkt den Themen ländlicher Raum und Frauen widmen, kündigte Wanka an. Dabei zeigte die 57-Jährige ein strahlendes Lächeln – ein Zeichen dafür, dass die CDU offenbar auch eine Charme-Offensive plant.
Michael Erbach
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