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Brandenburg: Neuanfang oder weiter in der Abwärtsspirale?

In Potsdam wurde kritisch über Brandenburgs neue Förderstrategie und die Zukunft der Lausitz diskutiert

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Potsdam - Der Abschied vom Leitbild der dezentralen Konzentration muss für die Lausitz und den Elbe-Elster-Kreis nicht zwangsläufig negative Folgen haben. Und der Süden des Landes ist keinesfalls endgültig abgehängt und zum ländlich geprägten Raum umdeklariert. So jedenfalls antworteten drei Experten für regionale Entwicklung auf die kritischen Fragen zum jüngsten Schwenk der Landesregierung, die Förderung im Wesentlichen zukünftig vorrangig auf den – Metropolenregion getauften – Berliner Speckgürtel zu konzentrieren, am Dienstagabend auf einer Diskussion in Potsdam.

Geladen zu der gut besuchten Veranstaltung hatte die Landeszentrale für politische Bildung. Michael Thomas vom Brandenburg-Berliner Institut für Sozialwissenschaftliche Studien formuliert ganz unverhohlen seine Skepsis und seine Bedenken. Es könne ja sein, dass der so viel gepriesene Kern des Landes, also das Berliner Umland, irgendwann mit Erstaunen feststellen müsse, dass er mit den vielen Rändern überfordert ist. Es bestehe die Gefahr, dass jetzt die Lausitz in eine Abwärtsspirale hineingeredet werde, zumal die Region ja auch immer wieder dazu tendiere, sich selbst an den Rand zu stellen. Wenn nun mit den neuen Förderkonzepten der Landesregierung so getan werde, als gebe es schlagartig viel bessere Antworten auf die vielen offenen Fragen der letzten Jahre, dann werde wieder ignoriert, was sich an Widersprüchen und Erfahrungen angesammelt habe. Die Versuche der dezentralen Konzentration, so Thomas weiter, hätten auch Tragfähiges hervorgebracht und ein genauerer Blick auf die Wirklichkeit wäre lohnend gewesen. Dann würde auch besser erkennbar, welche Optionen bleiben und welche Sackgassen vermieden werden können.

Frank Berg, im Elbe-Elster-Kreis als Regionalplaner tätig, knüpft an die vorsichtige Kritik nahtlos an. Mit dem Abschied von der alten Politik könne er noch kein neues Leitbild erkennen. Und deswegen auch sei der Streit geradezu provoziert worden. Folgerichtig frage jetzt jeder Bürgermeister und jeder Landrat, warum er dies oder jenes nicht bekommen könne oder behalte. Es fehle eine Idee vom Verbindenden und eine Vorstellung vom Ganzen. Dass jetzt die dringend nötige Kreisreform wieder aufgeschoben werde, sei dafür bezeichnend.

Nicht ganz so skeptisch sieht Christina Eisenberg, seit drei Jahren Regionalmanagerin des Süden des Landes, die politische Diskussion. Sie halte sowieso wenig von der Fixierung auf die Fördermitteldebatte. Es komme in erster Linie auf die Menschen vor Ort selbst an, auf ihren Willen, die eigene Zukunft zu gestalten. Und ein entscheidendes Hindernis dafür sei die Wahrnehmung von der eigenen Region, die sehr viel schlechter sei als der Eindruck derer, die von außen reinschauten. Aber auch Frau Eisenberg findet in ihrer Arbeit wenig Anknüpfungspunkte an das, was das Kabinett Platzeck jetzt als Wende in der Regionalpolitik verkündet.

Alle drei Experten warnen dringend vor dem aus ihrer Sicht folgenschweren Irrtum, die Lausitz mit einer ländlichen Region zu verwechseln. Und sie weisen darauf hin, dass der Süden sich eben nicht ausschließlich in Richtung Berlin orientiere, dass Dresden und Leipzig genauso vor der Haustür liegen. Auch deswegen seien die Möglichkeiten der Region nach wie vor groß und selbst die verkürzte Sichtweise so mancher Potsdamer und der Rückgang an Fördermitteln könnten dies nicht schmälern. Cottbus, das werde auch in der Landeshauptstadt allmählich erkannt, sei das einzig lebensfähige, eigenständige städtische Zentrum Brandenburgs. Wenn die Lausitz sich seiner Chancen bewusst werde, sei zumindest eine Stabilisierung der Region denkbar. Und auch der Elbe-Elster-Kreis habe ein paar Jahre, in denen die Weichen noch in die richtige Richtung gestellt werden könnten, meint Regionalplaner Berg vom Elbe-Elster-Kreis. Vehementer Widerspruch zu der Kritik kommt von Antje Hofmann, der Grundsatzreferentin des Wirtschaftsministeriums. Es sei doch erkennbar, dass die Potentiale des Südens erkannt und gewürdigt werden. Eine Karte mit der Schwerpunkten der Wirtschaftsförderung würde unschwer vermitteln, dass eben keinesfalls nur das Berliner Umland unterstützt werde. Angesichts knapper Mittel sei nur noch eine Politik der Konzentration der Förderung möglich, dies könne aber nicht mit einer Vernachlässigung bestimmter Landesteile verwechselt werden.

Fragen, auf die keiner eine gute Antwort findet, stellt zuhauf das Publikum. Was bedeute denn der ständig zitierte demographische Wandel nun genau? Warum fehle so häufig der Hinweis darauf, dass die Lausitz ja Grenzregion sei? Und: Warum werde bei den Diskussionen ständig so getan, als gebe es Berlin gar nicht? Immerhin, meinte die Hausherrin Bärbel Müller von der Landeszentrale für politische Bildung, zeige das große Interesse, dass die Debatte um die Regionalpolitik noch lange nicht beendet ist. Deswegen werde man sich in der Landeszentrale weiter intensiv mit dem Thema beschäftigen – in Kürze mit einer Veranstaltung zu den Problemen zwischen dem Berliner Umland und der Bundeshauptstadt.

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