Brandenburg: Neue Hoffnung für Flüchtlinge in Berlin
Innensenator Körting hat einen Abschiebestopp für Ausländer erlassen, die schon lange hier leben
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Berlin - Sie würde so gerne mitfahren. Bislang traute sich Angelina nicht mal, von der Klassenreise nach Polen zu träumen, die ihre Mitschüler nach den Ferien unternehmen werden. Denn die Neunjährige ist eines von vier Kindern der bosnischen Familie Vasic, die die Ausländerbehörde so schnell wie möglich in ein Kinderheim nach Sarajewo abschieben will. Nun gibt es eine gute Nachricht für Angelina und ihre drei Geschwister: Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hat einen Abschiebestopp erlassen.
Bis Ende des Jahres sollen Flüchtlinge, die seit vielen Jahren in Berlin leben, aber keinen gesicherten Aufenthaltsstatus haben, nicht ausgewiesen werden. Denn im November tagt die Innenministerkonferenz und wird vermutlich beschließen, dass solche Flüchtlinge hierbleiben dürfen. Innensenator Körting setzt sich schon seit Jahren für eine so genannte Altfall-Regelung ein, die zum Beispiel vielen Familien ein Bleiberecht sichern würde, die während des Krieges im ehemaligen Jugoslawien nach Deutschland gekommen sind. Bislang war Körtings Vorstoß auf Bundesebene an den Innenministern der CDU-regierten Länder gescheitert. Kürzlich hatte aber auch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) eine Bleiberechtsregelung für langjährig geduldete Ausländer in Aussicht gestellt.
In Berlin leben rund 14 000 Flüchtlinge mit einer Duldung. Hoffnungen können sich abgelehnte Asylbewerber machen und Familien, die vor dem 1. Juni 2000 eingereist sind und mindestens ein minderjähriges Kind haben, das bei ihnen lebt. Auch Familien mit Kindern, die während ihres Aufenthaltes in Deutschland volljährig geworden sind, können erstmal aufatmen sowie Jugendliche, die wie die Vasic-Kinder hier ohne Eltern aufwachsen. Ausschlaggebend sei, ob die Flüchtlinge hier „umfassend sozial verwurzelt“ sind, sagte ein Sprecher der Innenverwaltung.
Für viele gilt der Abschiebestopp allerdings nicht. Die kurdisch-türkische Familie Aydin zum Beispiel fällt nicht unter den Abschiebestopp. Ihnen wird vorgeworfen, in Berlin unter falschem Namen Asyl beantragt zu haben. Ihre Duldung läuft in einem halben Jahr aus. Wer eine falsche Identität angegeben hat, soll von der neuen Regelung nicht profitieren. Ebenso wenig diejenigen Ausländer, die zu Geldstrafen von mindestens 90 Tagessätzen oder Freiheitsstrafen von mehr als drei Monaten verurteilt wurden.
Der Flüchtlingsrat und die Grünen im Abgeordnetenhaus begrüßten den Abschiebestopp. Beide Gruppierungen hatten eine Aussetzung der Abschiebungen schon seit Langem gefordert. Allerdings werde ein Großteil der hier geduldeten Ausländer von der Regelung ausgeschlossen, kritisiert der Grünen-Fraktionsvorsitzende Volker Ratzmann, etwa auch Alleinstehende oder Ehepaare ohne Kinder. Außerdem sei es mit dem Abschiebestopp nicht getan, auch das Arbeitsverbot für Ausländer mit Duldung müsse aufgehoben werden. Der Flüchtlingsrat fürchtet, dass die Ausländerbehörde die neue Regelung sehr eng auslegen wird und „nur wenige“ davon profitieren werden.
Die Berliner CDU kritisierte den Abschiebestopp Körtings. „Es ist absolut falsch, hier vorzupreschen, wenn die Bundesregierung sowieso eine Regelung treffen will“, sagte Kurt Wansner, der migrationspolitische Sprecher der CDU-Fraktion. Das sei kein solidarisches Verhalten den anderen Bundesländern gegenüber.
Außerdem sei es nicht rechtmäßig, dass mit der neuen Regelung die Beharrlichkeit der Ausländer, die schon lange ausreisen müssten und sich bisher geweigert hätten, auch noch belohnt werde. Viele von ihnen hätten ihre Abschiebung durch langwierige Klageverfahren absichtlich in die Länge gezogen. Wansner befürchtet, dass sich andere daran ein Beispiel nehmen könnten und spricht von einer „Sogwirkung“, die sich die Stadt nicht zuletzt wegen Geldmangels nicht leisten könne. Claudia Keller
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