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Kormorane in Brandenburg: Neuer Streit um alten Feind

Zur Frage der Verlängerung der sogenannten Kormoranverordnung liegen das Umwelt- und das Agrarministerium im Streit. Sollen die Fischräuber stärker geschützt oder weiterhin geschossen werden?

Von Matthias Matern

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Potsdam - Erneut ist im Land Brandenburg ein alter Konflikt aufgebrochen. Weil der Kormoran-Bestand zurückgegangen ist, will das Landesumweltministerium offenbar einen bislang von allen Seiten getragenen Kompromiss aufkündigen und den Abschuss der umstrittenen Fischjäger wieder stärker einschränken. Ende September läuft die sogenannte Kormoranverordnung, die einen Abschuss der Tiere zum Schutz der Fischereierträge auch an natürlichen Seen und Flüssen zulässt, aus. Im zuständigen Referat des Umweltministeriums hat man nun angedeutet, dass die Verordnung nicht mehr verlängert werden könnte. Mittlerweile ist darüber zwischen dem Uweltministerium und dem Landesagrarministerium ein Streit ausgebrochen: Eine entsprechende Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion aus dem Haus von Umweltministerin Anita Tack (Linke) wollte man im Landwirtschaftsressort nicht mitzeichnen. Jetzt soll der Konflikt auf politischer Ebene geklärt werden.

„Es wird die Aufgabe der Staatsekretärin sein, sich dem Konflikt mit dem befreundeten Haus anzunehmen“, bestätigte Jens-Uwe Schade, Sprecher im Landwirtschaftsministerium, am Donnerstag auf PNN-Nachfrage. Aus Tacks Ressort hieß es dagegen lediglich, das Mitzeichnungsverfahren sei noch nicht beendet. Weitere Fragen zu dem Vorgang, etwa ob sich die derzeit im Urlaub befindliche Ministerin selbst in den Streit einschalten werde, könnten deshalb nicht beantwortet werden, teilte Ministeriumssprecherin Alrun Kaune-Nüßlein mit.

Der Konflikt um den Kormoran schwelt bereits, seit sich die Bestände des einst fast augestorbenen Ruderfüßlers wieder erholt haben. Während Tierfreunde darauf verweisen, dass es sich beim Kormoran um einen heimischen Vogel handelt, dessen Bestand sich selbst reguliert, beklagt die Fischereiwirtschaft hohe Verluste durch die flinken Fischdiebe. Noch um 1920 galt der Kormoran europaweit als praktisch ausgerottet. Angaben des Landes Brandenburg zufolge lebten 1990 noch 70 Brutpaare landesweit, 2001 waren es bereits mehr als 2800. Seit sechs Jahren nehmen die Bestände wieder ab: Gerade einmal 1731 Brutpaare zählten Experten im vergangenen Jahr in landesweit zehn Kolonien. Das sind knapp 269 Paare weniger, als die Landesregierung für den langfristigen Erhalt der Tiere für erforderlich hält. Auch der Naturschutzbund Deutschland (NABU) fordert deshalb, den Abschuss endlich zu verbieten. Die Kormorane seien zwar trotzdem noch nicht akut vom Aussterben bedroht, so NABU-Ornithologe Lars Lachmann, aber mittlerweile läge die Zahl der Brutpaare unter dem von allen Seiten akzeptierten Mindestbestand. „Weitere Abschüsse außerhalb von Teichwirtschaften sind nicht mehr gerechtfertigt“, findet Lachmann.

„Dass man versucht, das Problem Kormoran auf die Anzahl der Brutpaare zu reduzieren, ist Augenwischerei aus der Naturschutzecke“, sagt dagegen Lars Dettmann, Geschäftsführer des Landesfischereiverbandes. Denn das eigentliche Problem seien die vielen Durchzügler, die ab Mitte Juli in Scharen aus Mecklenburg-Vorpommern und Polen nach Brandenburg kämen, um hier die Flüsse, Seen und Teiche zu plündern. Allein an den Karpfenteichen lägen die Verluste der Fischereibetriebe bei bis zu 70 Prozent. Im vergangenen Jahr sei durch den Kormoran ein wirtschaftlicher Schaden in der Teichwirtschaft von rund einer Million Euro entstanden, so der Verbandschef. Auch beim Aal verursachten die Vögel erhebliche Probleme. „Im Havelbereich verlieren wir nachweislich jedes Jahr 300 000 Aale an den Kormoran“, behauptet Dettmann. Mit der alten Verordnung habe man wenigstens die Möglichkeit gehabt, die Schäden halbwegs einzudämmen. „Wir fordern, dass das Einzige, was an der Verordnung verändert wird, das Gültigkeitsdatum ist.“ Das sieht auch das Agrarministerium so: „Wir sehen keinen Änderungsbedarf“, so Sprecher Schade.

Dass den Fischern auch an natürlichen Gewässern relevante Schäden entstehen, bezweifelt das Umweltministerium aber. In einer E-Mail an Brandenburgs Kommunen verweist das zuständige Referat auf einen Bericht des Instituts für Binnenfischerei in Potsdam-Sacrow aus dem vergangenen Jahr. Demnach sei der Kormoran in Deutschland gerade einmal für rund ein Prozent der Aalsterblichkeit verantwortlich. „Soweit bei Ihnen auch Anträge zum Abschuss an natürlichen Gewässern vorliegen, sind diese daher abzulehnen“, heißt es in der E-Mail weiter.

Weiterhin erlaubt bleiben dürfte der Abschuss von Kormoranen an Teichen. Dettmann zufolge seien dort ohnehin im vergangenen Jahr 90 Prozent aller Tiere erlegt worden. Die Effizienz von Abschüssen wird von Naturschutzexperten aber bezweifelt, da die Lücken meist umgehend aufgefüllt werden. So werden in Bayern seit Mitte der 90er-Jahre jährlich bis zu 6000 Exemplare geschossen, die sogenannten Winterbestände bleiben trotzdem konstant. „Ein wirklich begrenzender Faktor ist die Zahl der Kolonien“, sagt Professor Matthias Freude, Präsident des brandenburgischen Landesumweltamtes (LUGV). Denn Kormorane hätten ein begrenztes Einzugsgebiet, in dem sie Nahrung für ihre Jungen beschaffen. „Alles, was weiter als 70 Kilometer entfernt ist, bedeutet für die Elternvögel einen zu hohen Energieaufwand. Infolge werden immer weniger Junge pro Nest erwachsen“, so der LUGV-Chef. „Vor 20 Jahren waren es etwa 3,5, heute sind es noch knapp zwei.“ Ohne eine Begrenzung der Koloniezahl, wie es in Brandenburg seit Jahren praktiziert werde, läge die Zahl der Brutpaare wohl bei rund 3000.

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