zum Hauptinhalt

Von Alexander Fröhlich: Neuruppin noch stärker verseucht

Schadstoff-Belastung des Grundwassers ist weit größer als bislang bekannt – auch ein neuer Korruptionsskandal ist in aller Munde

Stand:

Neuruppin - Neuruppin ist weitaus stärker durch verseuchtes Grundwasser bedroht, als bislang bekannt. Nach Angaben des Kreises Ostprignitz-Ruppin sind noch weit mehr Flächen betroffen. Selbst der bei Ausflüglern beliebte Ruppiner See ist gefährdet. Es handle sich um eine „riesige Konzentration“, hieß es. Wie berichtet, ist das Grundwasser unter einem Wohngebiet schwer mit den sogenannten leichtflüchtigen halogenierten Kohlenwasserstoffen (LHKW) belastet. Bis zu Beginn der 1990er Jahre hatte dort eine Kaserne der Sowjetarmee gestanden. Vermutet wird, dass das Miltär seine Panzer mit Lösungsmitteln gewaschen hat. Jetzt geht es nicht mehr nur um das Erbe der Roten Armee. Auch der praktisch fehlende Umweltschutz in der maroden DDR-Wirtschaft macht der Stadt zu schaffen. Wo früher die Elektro-Physikalischen Werke Leiterplatten für Fernseher hergestellt haben, liegen die Rekordmesswerte in oberen Grundwasserschichten bei 545 000 Mikrogramm je Liter. Bis zu 20 Mikrogramm gelten laut Bundes-Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser als geringfügig. Ab 100 Mikrogramm sieht das Gremium Handlungsbedarf, dann sei das Grundwasser sanierungswürdig. Auch das Gelände des frühere Werkes für Feuerlöscher ist belastet. LHKW sind nach Angaben der Umweltbehörden krebserregend und schädigen das Erbmaterial. Die Schäden sind vermutlich Folge mehrerer Havarien oder schlampigen Umgangs mit Chemikalien. Seit 1992 wird der Fall beobachtet. Das belastete Wasser bewegt sichlangsam zum Ruppiner See. Weitere Gefahr droht, weil unter der verseuchten Brache ein Grundwasserleiter fließt, der von einem nahe gelegenen Wasserwerk angezapft wird. Sollte die Chemikalie – die schwerer als Wasser ist – die trennende Tonschicht durchdringen, müsste eiligst gehandelt werden.

Bei dem kürzlich bekannt gewordenen Funden unter einem zu Jahrhundertbeginn errichteten Wohngebeit liegen die Messdaten mit teils 7 000 Mikrogramm Trichlorethen - ebenfalls ein LHKW - je Liter deutlich über den Grenzwerten von 10 Mikrogramm. Ungereimtheiten im Landratsamt kommen hinzu. Denn schon seit 1999 ist bekannt, dass das Grundwasser unter der Wohnsiedlung verseucht ist, sagte Landrat Christian Gilde (SPD). Das hatten Fachleute beim Bau des Arbeitsamtes und einer Schwimmhalle festgestellt. Gilde selbst kann nicht nachvollziehen, warum seine Mitarbeiter trotz „dringenden Handlungsbedarfs“ untätig blieben. Erst Ende Mai wurde den Anwohnern untersagt, das Wasser aus ihren - obgleich illegalen - Brunnen zu nutzen. Geschlampt wurde auch im städtischen Klärwerk. Dort hätte 2003 das für die Schwimmbad-Baugrube abgepumpte Wasser nie gereinigt werden dürfen - die Schadstoff-Werte waren zu hoch. Ein Gutachter soll die Versäumnisse nun aufarbeiten und ein Monitoringplan soll her. Juristisch gibt es kein Nachspiel, jedenfalls nicht für die Umweltbehörde. Für die Staatsanwaltschaft Neuruppin ist eine Straftat etwa durch Unterlassen verjährt.

Nun prüft das Umweltministerium den Fall, 47 Beschwerden sind eingegangen. Bis Mitte Juli muss das Landratsamt einen  Fragenkatalog beantworten. Und das könnte heikel werden, inzwischen ist in der Stadt von einem neuen Korruptionsskandal die Rede. Fraglich ist, warum für die Flächen Baugenehmigungen erteilt worden waren und wer diese Grundstücke verkauft hat. Im Zentrum steht dabei ein Neuruppiner Bauunternehmer.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })