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Brandenburg: „Nicht jede Straße kann gefördert werden“ Infrastrukturminister Frank Szymanski (SPD) schließt Wegfall ganzer Landstraßen nicht aus

Die neue Landesregierung setzt Prioritäten bei Bildung, Wissenschaft und Technologieförderung. Das Motto: Man investiert in die Köpfe, und spart beim Beton.

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Die neue Landesregierung setzt Prioritäten bei Bildung, Wissenschaft und Technologieförderung. Das Motto: Man investiert in die Köpfe, und spart beim Beton. Schlechte Zeiten für den Bauminister? Nein, wir sind das zentrale Ministerium für Infrastruktur geworden, zuständig auch für die Raumordnung. Das ist eine Chance, eine Herausforderung, auch wegen der demographischen Entwicklung. Der Stadtumbau hat Priorität. Aber natürlich wird das Geld knapper, nicht nur bei uns. Werden sich die Brandenburger wieder an Holperpisten gewöhnen müssen, weil der Rotstift beim Straßenbau angesetzt wird? Wir müssen das Geld konzentrierter, gezielter, intelligenter ausgeben. Nicht jede Straße kann mehr gefördert werden, nicht jede Kleinstadt eine Ortsumgehung bekommen. Wir werden Ausbaustandards reduzieren, das heißt: Manche Straße wird nicht vierspurig, sondern nur drei- oder zweispurig. Es wird Abstriche geben: Wir werden es nicht mehr schaffen, das gesamte Landesstraßennetz von 5800 Kilometern grundlegend zu erneuern. Aber schon jetzt sind rund 60 Prozent der Landesstraßen nicht modernisiert. Was soll damit passieren? Ich schließe nicht aus, dass wir Landesstraßen aufgeben werden. Sie werden entwidmet, zurückgebaut und der Natur zurückgegeben. Ein Rückschritt für den Wirtschaftsstandort? Nein, man muss es einordnen: Mit den schon jetzt gut ausgebauten Bundesstraßen und Autobahnen – das Netz wird weiter modernisiert – hat das Land ein leistungsfähiges Netz im Land selbst und zur Metropole Berlin. Es muss durch bestimmte Landesstraßen ergänzt werden. Im Übrigen ist das auch ein Gebot der demographischen Entwicklung: Wenn wir wollen, dass die Menschen in den entfernten Regionen bleiben, müssen wir ihnen die Möglichkeiten geben, zügig Berlin und das Umland zu erreichen. Werden bisherige Planungen, etwa für die Oder-Lausitz-Trasse abgespeckt? Ich sage deutlich: Bei der Oder-Lausitz-Straße bleibt es. Aber auch hier sind wir dabei, die bisher geplanten Ausbau-Parameter – zweispurig oder dreispurig für bestimmte Abschnitte – noch einmal zu überprüfen. Wir bauen Schritt für Schritt. Und es wird länger dauern als bislang geplant. Mit Verlaub: Die meisten Autokolonnen rollen nach Berlin, nach Osteuropa, auf den Ost-West-Achsen. Wird diese Nord-Süd-Trasse abseits von Berlin, die zwei dünn besiedelte Regionen verbindet, überhaupt benötigt? Ja, wir brauchen die Straße als wirtschaftlichen Impuls für die Grenzregion. Es ist für uns die wichtigste Trasse im Osten Brandenburgs. Es ist ein langfristiges, auf 10 bis 15 Jahre angelegtes Projekt. Es geht um eine Strecke von 265 Kilometern und ein Volumen von über 400 Millionen Euro. Ein Drittel haben wir geschafft oder bauen daran. Und natürlich muss die Oder-Lausitz-Straße zum Beispiel von Schwedt weiter an die Autobahn 11 angebunden werden, um die Effekte zu erzielen. Und die geplante Lausitz-Leipzig-Trasse? Das ist ein Schwerpunkt-Projekt, das im Koalitionsvertrag verankert ist. Auch hier gilt es, entsprechend der realen Entwicklung von Wirtschaft und Verkehrsströmen zuerst jene Abschnitte anzupacken, in denen der größte Effekt zu erwarten ist. Zum Beispiel in Spremberg, für die neue Papierfabrik. Die Lausitz hofft auf einen Boom des Flughafens Drewitz, wo ein Investor interkontinentale Frachtflüge in die USA plant. Droht eine neue Kollision mit der Schönefeld-Priorität à la Flugplatz Neu-Hardenberg? Diese Gefahr einer Konkurrenz zum geplanten Flughafen Berlin-Brandenburg-International in Schönefeld sehe ich bislang nicht. Aber ich warte auf das Wirtschafts- und Finanzkonzept des Investors. Zum Ministerium gehört jetzt die Raumordnung. Bislang hat im Grunde jede Kleinstadt einen Zentrum-Status, der gewisse Förderungen garantiert. Wird das so bleiben? Wir werden die Planwerke den demographischen Entwicklungen anpassen. Wir müssen den Rückgang der Einwohnerzahlen berücksichtigen. Es wird weniger Zentren in Brandenburg geben. Es geht um die Frage: Wo werden wir Daseins-Vorsorge betreiben? Und wo werden wir Wachstum fördern? Die Koalition will ein gemeinsames Verkehrsplanungsreferat mit Berlin prüfen, nach dem Vorbild der gemeinsamen Landesplanung. Wie sind die ersten Reaktionen von Berlin? Ich bin mit Senatorin Ingeborg Junge-Reiher verabredet, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Man wird sehen, ob es zu einer gemeinsamen Behörde kommt. Es ist ein Prüfauftrag. Fest steht, die Zusammenarbeit mit Berlin bei Straßenplanungen ist deutlich besser geworden. Keine Klage mehr, dass vierspurige Straßen ab Stadtgrenze nur zweispurig weiterführen - so an der Bundesstraße 101? Das ist geklärt. Der aktuelle Stand ist, dass Berlin auf seinem Territorium den umstrittenen Abschnitt der B 101 vierspurig weiterbaut. Gibt es weitere akute Nadelöhre? Ja, auf dem östlichen Berliner Ring, nach Hönow hinein. Auch dort geht es darum, ob es in Berlin flüssig weitergeht. Wir finden auch dort eine Lösung und planen gemeinsam. Im Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg knirscht es immer wieder, so bei den Regionalbahnen, die durch Berlin fahren wie jetzt bei der RB 10. Es ist ein Dauerbrenner. Das ist ein objektives Problem. Berlin will diese Strecken nicht mitfinanzieren, weil ja parallel die S-Bahn fährt. Für uns ist wichtig, dass Pendler zügig durch Berlin kommen. Man muss in jedem Einzelfall vernünftige Kompromisse finden. Mit dem Bund gibt es Streit um die Schienenanbindung des neuen Großflughafens in Schönefeld, obwohl der Kanzler bereits öffentlich eine Finanzierungszusage gab. Taugt sein Wort nichts? Das Wort des Kanzlers steht. Ich bin sicher, dass die Finanzierung der Schienenanbindung in Kürze geklärt sein wird und der Bund davon den größten Anteil übernimmt. Es ist auch der Flughafen für die deutsche Hauptstadt. Kann sich der Bauminister ein neues Landtagsgebäude mit historischer Schlossfassade in Potsdam vorstellen? In diesem Projekt steckt eine große Chance. Ganz klar: Es geht nicht um den Bau eines Schlosses. Es geht um ein modernes Parlamentsgebäude und die Aufwertung der historischen Mitte der Hauptstadt Brandenburgs. Welche Ausstrahlung das zum Wohle des Landes haben kann, sieht man in Dresden. Das Interview führte Thorsten Metzner.

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