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Brandenburg: Nicht sehen, nicht hören

Thorsten Metzner

Stand:

Der Werteverfall, besonders Konservative beklagen ihn oft. Wie rasant er voranschreitet, kann man an der brandenburgischen CDU studieren, jener Law-and-Order-Partei, die „christlich“ im Namen trägt, preußische Tugenden predigt, „Kopfnoten“ in Brandenburg durchsetzte. Dabei regieren dort selbst fragwürdige Sitten, wie die E-Mail-Affäre um Ex-Generalsekretär Sven Petke zeigt. Erst verkündete der 38-Jährige, kaum vom Vorsitzenden Jörg Schönbohm gefeuert, in Cowboy-Manier seine Kandidatur für den CDU-Vorsitz. Ihm fehlt zwar jedes Unrechtsbewusstsein, jede Loyalität gegenüber seinem Förderer – aber es fehlt ihm nicht an Unterstützern. Jetzt fällt der Vorhang für den nächsten Akt: In Kürze wird die Cottbuser Staatsanwaltschaft verkünden, ob gegen Petke wegen des Verdachts der Datenausspähung ermittelt wird. Ein Wendepunkt?

Wohl kaum: So wie es um die CDU bestellt ist, dürfte es beinahe egal sein, was die Staatsanwaltschaft entscheiden wird. Dem Ex-Generalsekretär und seinen Anhängern ist – alles andere wäre tatsächlich eine Überraschung – zuzutrauen, dass die Kandidatur selbst bei einem laufenden Strafverfahren aufrechterhalten wird. Selbst dann also, wenn sich der Bespitzelungs-Verdacht erhärten sollte. Und wenn es, was angesichts der komplizierten Rechtslage nicht ausgeschlossen ist, keine Ermittlungen geben sollte? Zunächst einmal hieße das nur eins: Die Praxis der CDU-Zentrale war nicht kriminell. Legal und legitim war sie damit noch lange nicht. Trotzdem würde, das darf man prophezeien, die längst laufende „Weißwasch-Operation“ für Petke forciert. Einen Vorgeschmack hat der Umgang mit dem Bericht der CDU-Kommission zur E-Mail-Affäre geliefert. Dass dort gravierende Verstöße gegen den Datenschutz, Filz und Missmanagement nachgewiesen wurden? Dass das Innenministerium als Aufsicht für den Datenschutz gegen die CDU vorgehen muss? Interessiert nicht.

Ein Musterbeispiel, wie beschönigt, heruntergespielt, mit falschen Tatsachen operiert wird, hat der Bundestagsabgeordnete und Uckermark-Kreischef Jens Koeppen geliefert, der Petke durch den Junghanns-Bericht gar „entlastet“ sieht. Es ist der gleiche Mann, der einen Kollegen aus dem Landesvorstand als „Kameradenschwein“ beschimpfte. Nur weil dieser dem damaligen Noch-Generalsekretär nahe legte, was selbstverständlich gewesen wäre: Dass er bis zur Klärung der Vorwürfe wenigstens sein Amt ruhen lässt. Werteverfall eben.

Trotzdem muss man fragen, warum trotz E-Mail-Affäre immer noch viele auf Petke setzen. Es sagt einiges über den Minderwertigkeitskomplex in der Union aus, als Juniorpartner gegenüber der SPD den Kürzeren zu ziehen. Die Niederlagen bei Landtags- und Bundestagswahl haben die Parteiseele tief verletzt. Vergessen wird erstaunlicherweise, dass sie auch auf Sonderfaktoren wie Hartz IV oder Schönbohms Proletarisierungs-Fauxpas zurückgingen. Dass die Union passabel mitregiert, in den letzten Jahren ihre Stellung auf kommunaler Ebene ausgebaut, Landräte gewonnen hat. Man regiert zwei der vier kreisfreien Städte, vielleicht kommt Cottbus dazu.

Ex-Generalsekretär Petke tritt mit dem Versprechen an, die CDU aus dem 19-Prozent-Loch zu führen. Wie er das schaffen will, ist ein Rätsel, zumal er alle Minister und die Mehrheit der Landtagsfraktion gegen sich haben würde und nicht gerade ein Homo sympathicus ist. Dass eine von Petke geführte CDU bei den Brandenburgern eher punkten würde? Diese Annahme grenzt eigentlich an Wählerbeleidigung.

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