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Von Thorsten Metzner: „Nicht wie ein Ehrenmann verhalten“

Ex-Innenminister Schönbohm hatte Hinweise auf geklauten Laptop von Rainer Speer – informierte aber nicht die Polizei

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Potsdam - Er gilt als Preuße, als Wertkonservativer, der für „Law and Order“ steht: Nun sieht sich Ex-Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) Vorwürfen ausgesetzt, aus politischen Motiven womöglich an einer „Strafvereitelung“ im Zusammenhang mit seinem über eine Affäre gestürzten Amtsnachfolger Rainer Speer (SPD) beteiligt gewesen zu sein. Speers Anwalt Johannes Eisenberg hat die Potsdamer Staatsanwaltschaft eingeschaltet, weil Schönbohm laut eigenen Zeugenaussagen beim Landeskriminalamt Hinweise auf Spuren zum gestohlenen Laptop Speers hatte, aber nicht die Polizei informierte. Der Ex-Innenminister half stattdessen indirekt bei der Vermittlung des Materials an Medien.

Das Eisenberg–Schreiben hat den Charakter einer Strafanzeige. „Ein Strafverfolgungsinteresse wird formuliert“, bestätigt Helmut Lange, der Sprecher der Potsdamer Anklagebehörde. „Wir prüfen es.“ Speer war im September 2010 als Minister und später als Abgeordneter zurückgetreten, nachdem ein offenbar vom Laptop stammender E-Mail-Verkehr zwischen ihm und seiner Ex-Geliebten veröffentlicht wurde. Danach hatte ein uneheliches, mittlerweile 13-jähriges Kind Speers sechs Jahre staatliche Unterhaltszuschüsse bezogen.

An dieser Affäre ändert zwar der Wirbel um Schönbohm nichts. Doch die mysteriöse Vorgeschichte schlägt Wellen. Speer hatte den Laptop, auf dem brisante Interna auch zur Landes-SPD, zu Regierungschef Matthias Platzeck und zu Sportvereinen vermutet werden, am 30. Oktober 2009 als gestohlen gemeldet. Es war die Zeit der rot-roten Koalitionsverhandlungen. Noch amtierte Schönbohm als Innenminister – sein Staatssekretär war direkt beteiligt, als die Fahndung nach Speers Laptop begann. Monate später, der genaue Zeitpunkt ist unklar, erfuhr Schönbohm von kursierenden Speer-Daten, was er am 14. Oktober 2010 bei einer Vernehmung als Zeuge durch das LKA bestätigte. Schönbohm gab dort zu Protokoll, dass ihn ein Berliner Tennisfreund, ein Unternehmer, auf den Laptop angesprochen hatte. Der wiederum war von einem Bekannten aus der Rockerszene um Hilfe gebeten worden. Schönbohm riet, dass sich der Bekannte, wenn Straftaten erkennbar seien, an Polizei oder Staatsanwaltschaft wenden möge. Als der Tennisfreund skeptisch blieb, die Presse ins Spiel brachte, empfahl Schönbohm „Bild“ und „Spiegel“.

Dass er als früherer Innenminister nicht die Polizei informierte, ist für Eisenberg eine Sauerei, was er auch an Schönbohm schrieb. Speer, der in der großen Koalition mit Schönbohm ein Vertrauensverhältnis gepflegt hatte, sagt dazu nur: „Die Fakten sprechen für sich.“ Ob Strafvereitelung vorliege, müsse die Staatsanwaltschaft prüfen, sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete Peter Danckert: „Politisch hat sich Jörg Schönbohm nicht wie ein Ehrenmann verhalten.“ Das sieht der Ex-Minister, dem das Ganze unangenehm ist, inzwischen wohl selbst so. Er macht keinen Hehl daraus, dass sein Agieren aus heutiger Sicht ein Fehler war. „Ich bin lernfähig“, sagt Schönbohm. Er sei wohl ein „bisschen naiv“ gewesen.

Die Ermittlungen zum Laptop-Diebstahl werden wohl demnächst eingestellt. Und Brandenburgs Politik rätselt, ob der geheimnisvolle „Anonymus“, der im Besitz der Speer-Festplatte ist, weitere Minen hochgehen lässt.

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