Interview mit Gunter Fritsch: „Nichts wird mir fehlen“
Landtagspräsident Gunter Fritsch über den neuen und den alten Landtagsbau, Wappen und Kunst, Anspruch und Wirklichkeit im Parlament
Stand:
Herr Fritsch, was stört Sie am Schloss?
Mich stört im Moment nur am Schloss, dass wir noch nicht drin sind.
Das klang bei der Schlüsselübergabe am Donnerstag aber anders.
Ja, am Begriff Schloss stört mich, dass es kein Schloss in dem Sinne ist, das wird ja auch an der Außenwand zu lesen sein – auf Französisch wird dort stehen: Das ist kein Schloss. Der Begriff Schloss wurde von der Presse geprägt – und der Presse ist so was schwer wieder auszureden. Ich bin schon zufrieden, wenn wir uns jetzt im umgangssprachlichen Bereich auf den Begriff Landtagsschloss einigen. Dann wird deutlich: Es hat die Form eines Schlosses, aber die Funktion eines Landtages.
Es ist eigentlich der erste richtige Parlamentsbau, den es im Land Brandenburg gibt. Was sagt es über das Selbstverständnis des Landtages Brandenburg aus, dass man erst nach 23 Jahren ein eigenes Parlamentsgebäude hat?
Es war schon eine Hängepartie, aber das ist ein typisches Zeichen für die Brandenburger Sparsamkeit, Bescheidenheit und die Ängstlichkeit vor der öffentlichen Meinung. Die Abgeordneten wollten in den ersten Jahren erst einmal das Land voranbringen und nicht das Geld für sich selbst ausgeben. Es wurde allerdings nun Zeit, dass ein Neubau kommt.
Das mit der preußischen Sparsamkeit haben Sie jetzt nicht ganz ernst gemeint, oder?
Doch. Die vorangegangene ablehnende Diskussion hat ja gezeigt, dass sich die Abgeordneten nicht trauten, einen mutigen Beschluss zu fassen: Wir bauen etwas Neues und das kostet eben auch etwas! Gut, aber das ist nun inzwischen entschieden. Und wir wollten zwei Ergebnisse damit erreichen: Zum einen den Landtag ordentlich unterbringen und Potsdam sein Herz zurückgeben. Das ist dank der Spende von Hasso Plattner auch optimal gelungen.
Sie haben davon gesprochen, dass die Abgeordneten keinen mutigen Beschluss fassen wollten, als es um das Landtagsschloss in Potsdams Mitte ging. Das ist ja auch eine Aussage über das Selbstverständnis eines Parlamentes. Man kann ja als stolzes Parlament mal in das Land hinausgehen und sagen: Wir sind die Volksvertreter, das oberste Gremium in diesem Lande, und wir finden schon, dass das Volk angemessen repräsentiert werden muss.
Das ist ja nun passiert, als der Grundsatzbeschluss 1999 gefasst worden ist: Wir bauen neu; und 2005 dann der endgültige Beschluss zu dem Schlossstandort auf dem Alten Markt. Natürlich war in den Anfangsjahren das Geld besonders knapp, viel zu tun in dem Land, die zurückhaltende Haltung nur verständlich. Aber es wechseln ja auch nach jeder Wahl etwa 30 Prozent der Abgeordneten. Innerhalb dieser Wahlperiode haben diese Vorbehalte weniger Gewicht gehabt und die Bereitschaft, eine Grundsatzentscheidung zu treffen, ist gewachsen. Als 2005 die endgültige Entscheidung getroffen wurde, war ich ja Präsident, und mit der Entscheidung sehr zufrieden und einverstanden.
Was wird anders sein im neuen Landtag?
Es wird einiges anders sein. Die Abläufe – barrierefreie Flure, neue Technik, helle freundliche Räume und sicher auch viele freundliche und zufriedene Gesichter wegen der guten Arbeitsbedingungen. Es wird technisch sehr viel mehr möglich sein, wie zum Beispiel die moderne Drucktechnik, was für unsere Parlamentsarbeit wichtig ist, solange wir noch keinen sogenannten papierlosen Landtag haben. Aber wir arbeiten daran, dass er bald papierärmer wird. Wir werden viel mehr Sitzungsräume haben mit guter Technik. Letztlich wird das neue Gebäude auch die Stimmung heben, sodass sowohl die Mitarbeiter als auch die Abgeordneten in den neuen hellen, schönen Räumen ganz anders motiviert sind.
Das heißt, das sind sie jetzt nicht so?
(lachend) Man kann alles, was gut ist, immer noch besser machen. Aber ein altes Gebäude, in dem der Putz von den Wänden bröckelt und keine großen Reparaturen mehr gemacht werden, färbt schon negativ auf die Stimmung ab.
Vor ein paar Jahren haben Sie sich in einem Gespräch kritisch über den Zustand und das Selbstbewusstsein des Parlamentes geäußert. Das kann sich ändern – einfach durch die Architektur?
Nicht nur, aber eine der Ersten Gewalt angemessene Unterbringung ist schon hilfreich. Doch das Ziel ist nicht ein so selbstbewusstes Parlament, dass es der Landesregierung nur noch auf die Finger klopft. Die Koalitionsparteien haben ja auf der einen Seite die Regierung zu tragen, Mehrheiten zu organisieren, auf der anderen Seite aber die Regierung zu kontrollieren. Diese Balance wird immer schwierig bleiben. Da hat es die Opposition leichter, die muss die Regierung nicht tragen, die kann sich mehr aufs Kontrollieren konzentrieren, während die Koalitionsfraktionen nicht der Versuchung erliegen dürfen, nur die Regierung zu stützen. Und das geschieht ja auch: Es gibt beispielsweise eine Reihe von kritischen Anfragen, die von Abgeordneten der Regierungsfraktionen kommen.
Geschieht das zur genüge?
Es geschieht zumindest. Ob es zur genüge geschieht, kann man so pauschal nicht sagen. Es stößt ja häufig auch auf Widerstand, wenn die Abgeordneten Verbesserungsvorschläge unterbreiten. Von den Betroffenen kommen dann oft Gegenreaktionen. Gerade hat man sich an etwas neu Beschlossenes gewöhnt, schon wieder soll es anders gemacht werden. Dieser Konflikt erfordert immer eine Balance, die zu finden nicht ganz einfach ist.
Glauben Sie, dass der Neubau mehr Bürger in den Landtag hineinziehen wird?
Ja, auf jeden Fall. Im alten Gebäude hatten wir ja nun wirklich abgezählte Besuchergruppen, weil die Plätze so knapp waren. Es gab gar keine Möglichkeit, mehr Bürger hineinzulassen. Nun haben wir viel mehr Besucherplätze im Plenarsaal und Räume für Besuchergruppen. Ich glaube schon, dass es nach dem ersten Ansturm mehr Publikum während der normalen Sitzungszeiten geben wird.
Ist es dann auch für den Landtag als Institution einfacher, eine gewisse Öffentlichkeit herzustellen? Man ist am zentralen Platz, hat Veranstaltungsorte, den Hof. Zeit, sich tatsächlich zu öffnen?
Ja, die Politik kommt praktisch zum Volk. Es gibt Bereiche im Landtag, die sind frei zugänglich, und es gibt Bereiche, die sind nur mit den Transpondern zugänglich. Dann ist da die Cafeteria mit der Freiterrasse, da stelle ich mir im Sommer durchaus vor, dass Potsdamer oder Touristen sich von dort aus die Welt anschauen wollen. Auf jeden Fall werden wir viel mehr Öffentlichkeit haben als auf dem Berg. Wie der Hof genutzt wird, werden wir sehen, aber man wird ihn nicht mieten können. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass dort größere Veranstaltungen für die Bevölkerung stattfinden können. Veranstalter ist aber immer nur der Landtag.
Zum Beispiel?
Ein schönes Sommerkonzert dort wäre doch was!
Wenn die Brandenburger in den Plenarsaal kommen, werden sie sich auch den Adler anschauen. Da hängt der weiße Adler, andere stellen sich dort lieber einen roten vor. Sie gehören dazu. Sie wollen doch nicht wirklich dafür sorgen, dass der filigrane weiße Adler rot wird, oder?
(lachend) Es ist ja nicht meine alleinige Entscheidung. Die Fragestellung ist eigentlich auch nicht, ob er nun rot oder weiß sein soll. Auch ein weißer Adler ist ein schönes Kunstwerk. Die entscheidende Frage, und da müssen sich die Abgeordneten positionieren, ist: Gehört an die Stirnseite des Plenarsaals ein Kunstwerk oder ein Landeswappen? Und daraus ergibt sich dann automatisch die Antwort.
Der Architekt, Peter Kulka, hat gesagt, es sei ein Kunstwerk.
Ja, das stimmt. Der Architekt möchte dort ein Kunstwerk haben. Es gibt auch keine bundeseinheitliche Verfahrensweise, was in den Plenarsälen zu hängen hat, und im Bundestag hängt die Fette Henne, also auch ein Kunstwerk. Lassen wir die Abgeordneten erst einmal ihre Arbeit im neuen Plenarsaal aufnehmen. Die Abgeordneten müssen sich irgendwann entscheiden zwischen Kunst und Wappen.
Herr Kulka sagt, so lange, wie er lebt, wird der Adler weiß bleiben. Danach ist es ihm egal.
Ich habe gehört, dass es keinen Anspruch des Architekten geben soll. Aber das werden wir dann rechtlich prüfen, wenn die Abgeordneten den Adler ändern wollen.
Also Sie könnten die Bestuhlung ändern, den Raum anders streichen?
Die Bestuhlung hat noch keinen Unmut hervorgerufen. Aber sicher sind Änderungen möglich, wenn es die Abgeordneten denn wollen.
Herr Fritsch, gab es einen Moment, in dem Sie mal alleine durch den neuen Landtag gegangen sind und sich gesagt haben: „Mensch, Fritsch, schön haste es jetzt!“
Ich bin während der Bauzeit schon durch das Gebäude gegangen und habe es wachsen sehen. Es ist technologisch schon ein sehr anspruchsvoller, faszinierender Bau.
Sie waren ja schon diverse Male zum Probesitzen – daher noch einmal die Frage: Gab es schon einen Moment, in dem Sie sich allein dort hingesetzt haben und überlegt haben, dass Sie jetzt ein richtiges Parlament haben, einen richtig schönen Raum?
Irgendwie schon. Allein, wenn man vorne sitzt und sich im Raum umschaut, ist es deutlich übersichtlicher und überschaubarer durch das Halbrund. Ich muss nicht ständig den Kopf hin und her drehen wie bisher in diesem langen Schlauch, um zu sehen, wo sich jemand meldet oder so. Auch die Regierung hat man durch das Halbrund besser im Blick.
Also einen sentimentalen Moment hatten Sie dort noch nicht?
Ich neige nicht zu Sentimentalitäten, aber auf die erste Sitzung im neuen Plenarsaal freue ich mich schon ein wenig.
Auch keine Sentimentalität gegenüber diesem alten Bau auf dem Brauhausberg?
Wie? Mit Wehmut Abschied nehmen? Nö!
Gibt es etwas, das Ihnen von dem alten Parlamentsgebäude fehlen wird?
Nichts!
Herr Fritsch, Sie sind über 70 Jahre alt, seit 2004 Landtagspräsident – wie lange wollen Sie das denn noch machen?
Dazu möchte ich mich nicht äußern.
Es wird doch fleißig über einen prominenten Nachfolger spekuliert: Ex-Regierungschef Matthias Platzeck...
Matthias Platzeck hat sich dazu selbst nie geäußert und von mir kommen die Spekulationen nicht.
Das Interview führte Peter Tiede
Leben: Geboren wurde Gunter Fritsch am 5. Oktober 1942 in Landsberg an der Warthe, dem polnischen Gorzów Wielkopolski in Brandenburgs Nachbar-Woiwodschaft Lebus. Er ist gelernter Kfz-Schlosser, verweigerte wegen seines christlichen Glaubens der NVA-Wehrdienst und diente als Bausoldat. Er arbeitete als Labormechaniker und Entwicklungsingenieur für Optik und absolvierte parallel ein Technik-Studium.
Politik: 1990 trat Fritsch in Müncheberg in die SPD ein. Er war bis 1997 Landrat, erst in Strausberg, dann in Märkisch-Oderland. Von 1997 bis 1999 war er Agrarminister. 1999 wurde Fritsch Landtagsabgeordneter und war bis 2004 SPD-Fraktionschef. Seither ist er Landtagspräsident.
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