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Tierärzte im Öffentlichen Dienst: Offener Brief an den Ministerpräsidenten

Verband der Tierärzte im Öffentlichen DienstVerbandsvorsitzenderDr.Knut GroßeReetzer Str.

Stand:

Verband der Tierärzte im Öffentlichen Dienst

Verbandsvorsitzender

Dr.Knut Große

Reetzer Str.6a

14828 Görzke

Ministerpräsident des Landes Brandenburg

Matthias Platzeck

Heinrich-Mann-Allee103

14773 Potsdam

30.07.2013

Offener Brief                                                              

Gesundheitlicher Verbraucherschutz im Land Brandenburg

 

 

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

Ihre Rücktrittserklärung hat mich überrascht und mich überlegen lassen, ob ich Ihnen diesen offenen Brief sende. Ich bin zu dem Entschluss gekommen, Ihnen dieses Schreiben trotzdem zu senden, da mein Anliegen keinen mehrmonatigen Aufschub duldet.

Als Vorsitzender des Verbandes der Tierärzte im Öffentlichen Dienst vertrete ich die Interessen der angestellten und beamteten Tierärzte in den kreisfreien Städten, den Landkreisen, dem Landesamt für Umwelt und Verbraucherschutz, dem Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz sowie dem brandenburgischen Anteil des Landeslabors Berlin-Brandenburg, aber auch und nicht zuletzt, die gesundheitlichen Interessen der Verbraucher im Land Brandenburg.

Die Situation des gesundheitlichen Verbraucherschutzes im Land Brandenburg hat sich seit 2009 wesentlich verschlechtert.

 

-         Rechtlich vorgeschriebene Planproben, werden im Landeslabor Berlin-Brandenburg teilweise lediglich sensorisch, nicht mikrobiologisch oder chemisch, untersucht.

-         Die Zeiten vom Eingang der Planproben bis zur Befundung überschreiten die ursprünglich einmal festgelegten 6-8 Wochen erheblich.

Die Untersuchung der Planproben dient der amtlichen Lebensmittelüberwachung zur stichprobenweisen Überprüfung der Einhaltung rechtlicher Vorgaben und zu einer Statuserhebung hinsichtlich der Gewährleistung einer guten Hygienepraxis in den Betrieben sowie der Feststellung von Verbrauchertäuschungen. Damit sind neben den amtlichen Kontrollen vor Ort die Probenuntersuchungen eine wesentliche Säule für den Vollzug in der Lebensmittelüberwachung zur Sicherung des gesundheitlichen Verbraucherschutzes im Land.

Das Gleiche gilt für Beschwerdeproben von Verbrauchern sowie Verdachtsproben der Überwachungsbehörden. Daraus, dass bei Probenuntersuchungen im Landeslabor Berlin-Brandenburg wesentliche Teilbereiche (Mikrobiologie, Chemie) immer öfter nicht bearbeitet werden und/oder die Gutachten oft Monate später (oder gar nicht – s. u.) erstellt werden, resultiert, dass der Vollzug in den Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämtern  der kreisfreien Städte und Landkreise erst nach Wochen und Monaten erfolgen kann. Dies stellt den Sinn und Zweck der amtlichen Lebensmittelüberwachung und des Verbraucherschutzes im Land Brandenburg erheblich in Frage und untergräbt massiv das Vertrauen der Verbraucher, wie auch der Wirtschaftsbeteiligten in die Überwachungsbehörden. Das Resultat daraus ist Unverständnis bei Beschwerde führenden Bürgern sowie immer öfter auch unmotivierte Mitarbeiter in den Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämtern sowie im Landeslabor Berlin-Brandenburg.

Mit Schreiben vom 29.05.13 hat der Direktor des Landeslabors Berlin-Brandenburg, Herr XXXXXXXXX, festgestellt, dass für das Planjahr 2012 noch 130 Proben aus dem Land Brandenburg offen sind, d. h. nicht abschließend befundet sind. Er wies den Fachbereichsleiter, Herrn XXXXXXX  an, die Untersuchungen für Proben aus 2012 abzubrechen (wenn kein Hinweis auf gesundheitsgefährdende Bewertung vorliegt). Die Ergebnisse sollten unverzüglich bewertet und in das Berichtssystem eingestellt werden. Damit war sicherzustellen dass per 31.05.13 die Probenuntersuchungen für 2012 abgeschlossen sind. Die Erstellung ausführlicher Gutachten zu den noch offenen und beanstandeten Planproben sollte grundsätzlich nicht mehr erfolgen, da diese auf Grund der Zeitverzögerung offensichtlich keine Vollzugsrelevanz mehr aufweisen. Für beanstandete Verdachts-, Verfolgs- und Beschwerdeproben sind probenbezogene Absprachen mit den zuständigen Behörden zu treffen (bis heute keine Absprachen zwischen Landeslabor Berlin-Brandenburg und Veterinär-und Lebensmittelüberwachungsämtern erfolgt).

Mit dieser Verfahrensweise wird das Eigentum der Betriebsinhaber negiert (Proben sind der Überwachungsbehörde in der Regel kostenfrei zur Verfügung zu stellen). Die Arbeit der Überwachungsbehörden wird unterwandert und ins Leere geführt, finanzielle Mittel des Landes, der Landkreise und kreisfreien Städte sowie der Wirtschaftsbeteiligten verschwendet. Der Verbraucher wird in scheinbarer Sicherheit gewiegt und die Statistiken an das Verbraucherschutzministerium und die EU haben für das Land Brandenburg wenig mit der Realität zu tun. Der Vorwurf an die amtliche Lebensmittelüberwachung, dass Nichtregierungsorganisationen die Lebensmittelskandale (E.coli 2011, Norovirus 2012, Pferdefleisch2013) aufdecken, ist auch dieser Verfahrensweise geschuldet. Die personelle Situation im Landeslabor Berlin-Brandenburg ist so schlecht, weil Stellen von Mitarbeiter, die aus dem Berufsleben scheiden, nicht nachbesetzt werden und Mitarbeiter, die aus persönlichen Gründen eine Auszeit nehmen, nicht durch befristete Beschäftigte ersetzt werden.

Ähnlich schwierig ist die personelle Situation in der Abteilung Verbraucherschutz (Abt.V) des Landesamtes für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz und in der Abteilung III des Ministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz. Aus dem Berufsleben scheidende Kollegen werden nicht ersetzt, sondern deren Aufgaben werden verteilt. Es werden befristete Beschäftigte eingestellt, die bei den komplizierten Rechtsvorschriften auf den Gebieten Gesundheitlicher  Verbraucherschutz, Tierseuchen, Tierschutz und Tierarzneimittel sehr lange Einarbeitungszeiten haben und wenn sie dann eingearbeitet sind, endet ihr befristetes Arbeitsverhältnis. Der komplexe tierärztliche Sachverstand in Verbindung mit kontinuierlicher wissenschaftlicher Qualifikation, der die Überwachung vom Futter / pflanzliche Lebensmittel über die Tierhaltung, die Schlachtung, die Verarbeitung, bis auf den Tisch des Verbrauchers durchgängig sicherstellt, ist in Gefahr für die Lebensmittelbehörden in Brandenburg verloren zu gehen.

Diese für die Tierärzte im öffentlichen Dienst unbefriedigende Situation habe ich bereits in einem Brief an den Abteilungsleiter Verbraucherschutz, Herrn Remde, am 07.02.2011

dargestellt. Leider erhielt ich keine Antwort.

Ein Schreiben an Frau Ministerin Tack vom 26.07.2012 mit ähnlichem Inhalt erbrachte

lediglich die geforderte Eingangsbestätigung.

Ein weiteres Schreiben an Frau Ministerin Tack vom 20.02.2013 zur Preisliste des Landes-labors Berlin-Brandenburg und zu Problemen der Untersuchungszeiten, Befundmitteilungen sowie der steigenden Unzufriedenheit der Mitarbeiter im Landeslabor Berlin-Brandenburg und der Kollegen in den Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämtern erbrachte die Zusage Pauschalpreise für Leistungspakete zu erarbeiten. Zu den Problemen Probenuntersuchungszeiten, zeitnahe Befundübermittlung, sowie Bewertung der Fusion der Untersuchungsämter Frankfurt/Oder und Berlin und Konsequenzen daraus, habe ich wiederholt

keine Informationen oder Gesprächsangebote erhalten.

Der Landtag hat am 03.06.2010 eine „Verbraucherpolitische Strategie Brandenburg“

beschlossen. Dazu ist ein Bericht der Landesregierung (ausgegeben 22.05.2012) ergangen. Im Punkt 3, 4.1.2 und 4.1.3 ist der Stand des gesundheitlichen Verbraucherschutzes aus Sicht der Landesregierung dargestellt. Die Praxis ist aber, dass die Bereiche des Landeslabors Berlin-Brandenburg, die die Proben zur Sicherstellung des gesundheitlichen Verbraucherschutzes untersuchen und befunden, dieses nicht in der erforderlichen Untersuchungstiefe nach den wissenschaftlichen Standards und nicht so zeitnah vornehmen, dass der Vollzug in den zuständigen Überwachungsbehörden daraus die nötigen Konsequenzen ziehen und umsetzen kann.

Ich bitte Sie die Probleme, die ich in meinem Schreiben dargestellt habe, einer Lösung

zuzuführen. Damit würden Sie dem gesundheitlichen Verbraucherschutz im

Land Brandenburg einen großen Dienst erweisen und uns zeigen, dass Sie unser tägliches Bemühen als Tierärzte im Öffentlichen Dienst für gesunde Lebensmittel schätzen und würdigen.

In Erwartung Ihrer Antwort verbleibe ich mit freundlichen Grüßen

Dr. Große

Ich bitte um Eingangsbestätigung.

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