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Brandenburg: Ohrloch-Streit: Dreijährige erhält 70 Euro Trotz Vergleich ermittelt die Staatsanwaltschaft

Berlin - Plötzlich waren sich die Prozessgegner einig. Nein, der Fall müsse nicht weiter debattiert werden, auch nicht, ob es Körperverletzung ist, wenn bei einem kleinen Kind Ohrlöcher gestochen werden.

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Berlin - Plötzlich waren sich die Prozessgegner einig. Nein, der Fall müsse nicht weiter debattiert werden, auch nicht, ob es Körperverletzung ist, wenn bei einem kleinen Kind Ohrlöcher gestochen werden. Ursprünglich hatte das Gericht angekündigt, dies zu prüfen. Doch der Streit zwischen den Eltern einer Dreijährigen und der Chefin eines Tattoo-Studios um eine schmerzhafte Prozedur endete am Freitag mit einem Vergleich: 70 Euro Schmerzensgeld für das Kind. Jetzt könnte es aber noch ein Fall für die Strafjustiz werden.

Gedränge herrschte im Saal 209 A im Amtsgericht Lichtenberg. Der große Wirbel machte den Vater des Mädchens, ein schlanker Mann aus der Kfz-Branche mit Ring im Ohr und Piercings in der Augenbraue, verschlossen. Er hatte den Raum verlassen, als Richter Uwe Kett erklärte, dass er den Fall „wahrscheinlich“ an die Staatsanwaltschaft geben werde. Dort müsse entschieden werden, ob sich die Eltern, die Studio-Inhaberin, ihre Mitarbeiterinnen, die bei der Kleinen die Löcher schossen, oder alle strafbar gemacht haben könnten. „Nachdem ich gebellt habe, muss ich beißen“, sagte der Zivilrichter.

Die Eltern waren am 16. Dezember 2011 mit der Tochter in ein Lichtenberger Tattoo-Studio gegangen. Die Kleine habe sich die Ohrlöcher zum Geburtstag gewünscht, sagten sie. Zwei Mitarbeiterinnen erklärten die Prozedur: still sitzen, desinfizieren, Salbe gegen Schmerzen auftragen, Punkte auf die Ohrläppchen zeichnen, das Einschießen der Stecker. Mit den Markierungen klappte es nicht gleich. Beim dritten Anlauf waren die Eltern einverstanden. Gleichzeitig wurden die Ohren durchschossen. Ein Schmerz, der Knall – das Kind weinte. Und der Vater monierte eine Schieflage.

Der rechte Ohrstecker wurde wieder entfernt. Die Eltern waren aufgebracht. Die Mitarbeiterinnen des Studios verzichteten auf Bezahlung. Eine Entzündung gab es nicht. Doch noch drei Tage später habe das Kind beim Arzt traumatisch reagiert, klagten die Eltern und forderten ein „angemessenes“ Schmerzensgeld, mindestens 70 Euro. Die Studiochefin lehnte ab. Eine solche Prozedur sei bei 99 Prozent der Kinder in diesem Alter äußerst schwierig. Das dürfte den Eltern klar gewesen sein, sie hätten trotzdem zugestimmt.

Diente die Einwilligung dem Wohl des Kindes? Das Zivilgericht hatte im Vorfeld Zweifel angemeldet. Es sei zu fragen, warum das Tattoo-Studio es nicht ablehnte, bei einem derart kleinen Kind Ohrlöcher zu stechen. Der Richter hatte das Kölner Urteil zu religiös motivierten Beschneidungen von Jungen im Blick, als er ankündigte, eine Strafbarkeit zu prüfen. Die Kölner Richter hatten die Beschneidung als Körperverletzung gewertet. Das Urteil sorgte weltweit für Aufsehen.

Wer schön sein will, muss leiden, sagt der Volksmund. Seit Jahrzehnten werden auch kleine Kunden, die in Begleitung ihrer Eltern kommen, bedient. „Warum auch nicht?“, fragen Profi-Ohrlochstecher. Ärzte aber warnen. Jeder Eingriff in den intakten Körper eines Kindes sei problematisch. Eine gesetzliche Altersgrenze aber gibt es nicht. Der Berufsverband der Kinder und Jugendärzte (BVKJ) regte an, diese bei 14 Jahren zu setzen. Nun wollte ein Berliner Gericht Neuland betreten. Doch die Prozessgegner einigten sich auf 70 Euro fürs Sparschwein des Kindes und teilen sich die Gerichtskosten von 25 Euro. Kerstin Gehrke

Kerstin Gehrke

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