Brandenburg: Online-Anzeigen nehmen zu
Viele Länder haben Internetwachen eröffnet / Erfinder Brandenburg will bald auch Bußgelder bearbeiten
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Berlin/Potsdam - Die Polizei beklagt seit Jahren eine zunehmende „Anzeigen-Müdigkeit“ in der Bevölkerung. Diebstähle, Einbrüche oder Zerstörungen mit geringen finanziellen Schäden werden nicht mehr als Straftat gemeldet, da der Aufwand in den meisten Fällen deutlich größer ist als die Ermittlungsaussicht. Um dies zu ändern, setzen viele Bundesländer mittlerweile auf virtuelle Polizeireviere im Internet. In der Hälfte aller dort gemeldeten Fälle geht es dabei um Alltagskriminalität.
Mit Hilfe dieser so genannten Internetwachen können die Bürger per Computer bequem von zu Hause aus beispielsweise Anzeigen schreiben oder Hinweise zu Straftaten geben, wie der Sprecher des Bundesverbandes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Bernd Carstensen, im ddp-Interview sagt. „Einfache Diebstähle werden oftmals nicht angezeigt, weil gerade in ländlichen Gegenden der Weg bis zur nächsten Polizeiwache zu weit erscheint oder die Betroffenen lange Wartezeiten auf dem Revier befürchten“, sagt er. Das Internetangebot wird nach Einschätzung der Innenministerien gut angenommen. Hunderttausende Bundesbürger nutzten inzwischen den Service, hieß es.
Brandenburg hatte als erstes Bundesland im Februar vor vier Jahren ein solches Polizeiportal eingerichtet. Seitdem bearbeiteten die Beamten in Potsdam mehr als 20 000 Vorgänge, darunter waren fast 14 000 Strafanzeigen, wie Innenministeriums-Sprecher Geert Piorkowski sagt. In mehr als 5200 Fällen handelte es sich um Diebstähle. Hinter den fast 3000 Vermögensdelikten standen vor allem Internet-Betrügereien.
Dem Potsdamer Beispiel folgten unter anderen Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Sachsen-Anhalt, Hessen, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Hamburg. Auch Thüringen und Bremen denken über eine Online-Polizeistube nach. Ablehnend hingegen stehen dem Projekt den Angaben zufolge Bayern, das Saarland und Sachsen gegenüber. Der Sprecher des sächsischen Innenministeriums, Andreas Schumann, sagte, eine Internetwache sei derzeit nicht geplant. Die Effektivität eines solchen Portals sei noch nicht nachgewiesen. Nordrhein-Westfalen hingegen erweiterte erst kürzlich sein Onlineangebot: das Landeskriminalamt in Düsseldorf nimmt rund um die Uhr jetzt auch Hinweise auf mögliche Gewalttäter per E-Mail entgegen.
Innenminister Ingo Wolf (FDP) sieht darin eine Konsequenz aus dem Amoklauf eines 18-Jährigen im münsterländischen Emsdetten. So soll schnell auf mögliche Bedrohungen reagiert werden. Bei der seit März 2004 arbeitenden Internetwache seien bislang mehr als 61 000 Anzeigen eingegangen. Mindestens vier Ermittler überprüften ständig alle eingehenden Informationen und leiteten sie gegebenenfalls weiter.
Wolf hofft, dass mit diesem neuen Angebot auch die Hemmschwelle gesenkt wird, sich an die Polizei zu wenden. Von den Online-Portalen machen nach Einschätzung der Polizei neben Privatpersonen auch Ordnungsämter und Firmen Gebrauch. Nur wenige Nutzer meldeten sich dabei anonym. Auch die anfängliche Skepsis vor Missbrauch habe sich gelegt, hieß es bei den Betreibern.
Die Brandenburger Polizei will noch einen Schritt weiter gehen: Nachdem das Bundesland bislang einzigartig in Deutschland bereits eine Internet-Kinderwache betreibt, soll künftig auch die Bußgeldstelle integriert werden. Auf der Computermesse CeBIT im März in Hannover werde das Projekt erstmals vorgestellt, kündigte Piorkowski an. Betroffene sollen den Vorstellungen nach noch in diesem Jahr die entsprechenden Bescheide mit einem Passwort zugeschickt bekommen und so zunächst ohne großen Aufwand die Formalitäten per Internet erledigen können. Wolfgang Schönwald
www.internetwache.brandenburg.de
Wolfgang Schönwald
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