Brandenburg: Opfer im „pathologischen Dämmerzustand“
Neue Vorwürfe im Misshandlungs-Prozess gegen 13 Bedienstete der JVA Brandenburg
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Potsdam - Vor dem Landgericht Potsdam ist am Freitag der Prozess gegen 13 Bedienstete der Justizvollzugsanstalt (JVA) Brandenburg/Havel wegen Misshandlung eines Gefangenen in drei Fällen fortgesetzt worden. Am dritten Prozesstag wurde das mutmaßliche Opfer Matthias D. zu einem Vorfall vernommen, der sich laut Anklage am Nachmittag des 4. März 1999 seiner Zelle ereignet haben soll. Matthias D. kann sich jedoch kaum daran erinnern. Der 38-Jährige betonte vor Gericht: „Ich weiß, dass etwas war. Es kam mir vor wie ein schlechter Traum. Ich weiß nicht, ob ich bewusstlos war. Da war irgendetwas mit einem Schlüsselbund.“ Laut Anklage soll sich das Opfer an dem Nachmittag nach einem ersten Angriff am Morgen in einem „pathologischen Dämmerzustand“ befunden haben. Der Hauptangeklagte Jens D. und der Angeklagte Frank L. sollen zu dem Opfer in die Zelle gegangen und ihn mit einem Schlüsselbund sowie einem Schlagstock traktiert haben. Dadurch soll Matthias D. nach ersten Verletzungen vom Morgen weitere Prellungen und Abschürfungen erlitten haben.
Am zweiten Prozesstag hatte der ehemalige Strafgefangene den Hauptangeklagten Jens D. schwer belastet und Angaben zum ersten Angriff gemacht. So soll Jens D. sich auf seine Brust gekniet und ihn mehrfach geschlagen haben. Andere Wärter sollen den Gefangenen dabei festgehalten haben. Die Aussagen hatte der ehemalige Mithäftling Jens L. vor Gericht bestätigt.
Wie am Freitag durch die Staatsanwaltschaft bekannt wurde, soll der Mitangeklagte Andreas F. vor Prozessbeginn einen Freigänger der JVA aufgefordert haben, den ehemaligen Gefangenen Jens L. von einer Aussage vor Gericht abzuhalten. Für den Fall, dass er bei einem Freigang nicht mit seinem Bekannten rede, seien ihm Konsequenzen angedroht worden.
Der Freigänger Heiko G. bestätigte vor Gericht, dass er Ende Januar in der JVA von Andreas F. auf die bevorstehende Zeugenaussage von Jens L. angesprochen worden sei. „Ich habe das Gespräch als Auftrag aufgefasst, meinem Freund L. auszurichten, dass er nicht aussagen soll“, räumte G. zögerlich ein. „Ich wollte dafür sorgen, dass L. nicht aussagt, weil ich das für ein Risiko hielt“, sagte G.
Auf die Frage der Staatsanwaltschaft, welche Konsequenzen er befürchtete, antwortete G.: „Ich hatte Schiss.“ Er stehe kurz vor einer Lockerung seiner Strafe und wolle vermeiden, dass ihm etwas untergeschoben wird. F. habe ihn nicht direkt bedroht, sondern sinngemäß gesagt: „Das könntest du ja mal machen.“ Der Angeklagte Andreas F. bestritt in einer schriftlichen Erklärung, den ehemaligen Häftling L. über den Freigänger von einer Aussage abgehalten zu haben. Daran habe er kein Interesse gehabt, denn bei dem ersten Angriff, bei dem Jens L. Augenzeuge gewesen sein soll, sei er selbst nicht im Dienst gewesen.
Die Nebenklage hat nach der Aussage des Zeugen Heiko G. einen Haftbefehl gegen den Mitangeklagten Andreas F. wegen Wiederholungs- sowie Verdunkelungsgefahr beantragt. „Für mich steht fest, dass F. versucht hat, auf das Aussageverhalten des Zeugen einzuwirken“, begründete Anwalt Ulrich Dost.
Das Gericht wird beim nächsten Prozesstag am kommenden Mittwoch über den Antrag auf Haftbefehl entscheiden. Zudem soll der damalige Leiter des JVA-Hauses drei als Zeuge vernommen werden. Auch sollen drei Angeklagte aussagen. Bislang haben sich die 13 Angeklagten nicht zu den Vorwürfen geäußert. Während der Ermittlungen hatten sie die Anschuldigungen stets zurückgewiesen.
Weiter soll das mutmaßliche Opfer Aussagen zum dritten Angriff machen. Laut Anklage sollen am Morgen des 5. März 1999 mehrere der Angeklagten mit Sturmhauben und in Schutzanzügen die Zelle von Matthias D. gestürmt und das Opfer erneut geschlagen haben.
Carolin Bauer
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