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Wegen einer brutalen Messerattacke müssen sich derzeit drei Hells Angels vor dem Potsdamer Landgericht verantworten.

© dpa

Verletzter Rocker belastet Hells Angels: Opfer sagt gegen Angeklagte im Rocker-Prozess aus

Mit zwei Messerstichen ist ein ehemaliger Rocker vom MC Gremium niedergestochen und lebensgefährlich verletzt worden. Vor Gericht packte er aus und belastete drei Rocker von den verfeindeten Hells Angels.

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Potsdam - Im Rocker-Prozess vor dem Landgericht Potsdam hat am Donnerstag das Opfer einer Messerattacke gegen die Angeklagten ausgesagt. Der 27-Jährige sagte, er sei Ziel einer Racheaktion gewesen. Das frühere Mitglied des Clubs MC Gremium war am 25. Dezember 2011 in Königs Wusterhausen (Dahme-Spreewald) niedergestochen worden. Die Täter sollen Mitglieder des konkurrierenden "Hells Angels Motorradclubs Oder-City" sein. Der 27-Jährige erklärte im Zeugenstand, er habe den Präsidenten des Hells Angels-Chapters "Oder-City" bei einem Aufeinandertreffen beleidigt.

In dem Prozess müssen sich drei Angeklagte im Alter von 29 und 23 Jahren wegen versuchten Mordes verantworten. Sie schwiegen bisher zu den Vorwürfen. Das Gerichtsverfahren wird von strengen Sicherheitsmaßnahmen begleitet.

Ende 2011 soll der Chef des Hells Angels-Chapters "Oder-City" angeordnet haben, wenn sich Gremium-Mitglieder in Fürstenwalde oder Frankfurt (Oder) blicken ließen, seien diese sofort abzustechen. "Dieser Messerbefehl sollte auf einem Parkplatz in Königs Wusterhausen geklärt werden", berichtete er. Hier hätte ihn der "Angels-Präsi" schief angeguckt. Darauf hätte er gefragt: "Was guckst Du denn, Du Assi?" Das sei dann der Anlass für die Messerattacke auf den 27-Jährigen gewesen.

Am 1. Weihnachtsfeiertag 2011 sei er zusammen mit anderen Clubmitgliedern von Hells Angels aus einer Disko in Königs Wusterhausen geholt worden. Dabei habe ein Ex-Gremium-Rocker und jetziger Angel mit auffälligem Gesichtstattoo das Kommando geführt. "Der hat gesagt: Wer seinen Präsi beleidigt, stirbt." Danach sei er ohne Vorankündigung mit einem Schlagring bearbeitet, an einen Zaun gedrückt und niedergestochen worden. "Der mit dem Gesichts-Tribal hat zugestochen" und zeigte auf einen der Angeklagten.

Der Zeuge hätte gegen den Tätowierten ausgesagt, weil der ein Verräter sei. Er habe Gremium im Stich gelassen und sei zu den Hells Angels gewechselt. "Warum soll ich so jemanden schützen?" Für so einen gelte der Ehrenkodex, nicht mit der Polizei zu reden, nicht. Im Mai 2012 habe sich der 27-Jährige dann ganz aus dem Rockermilieu gelöst und sei seitdem in einem Zeugenschutzprogramm der Polizei.

Die Messerattacke gilt außerdem als Auslöser für einen Angriff von Rockern auf einen unbeteiligten 15-Jährigen am Silvesterabend 2011 vor einer Diskothek in Königs Wusterhausen. Rocker hatten den Schüler angegriffen, weil sie ihn für ein Mitglied der Hells Angels gehalten hatten. Bei der Attacke wurde der Jugendliche fast zu Tode geprügelt. Dieser Fall beschäftigt seit Anfang März das Landgericht Cottbus. Angeklagt sind vier Rocker.

Die konkreten Auseinandersetzungen zwischen Anhängern der Rockerklubs Hells Angels und Gremium begannen Ende 2011 in der knapp 34 000 Einwohner zählenden Stadt am südöstlichen Stadtrand Berlins. Ein Gremium-Rocker soll an diesem Tag nach Angaben aus Ermittlerkreisen den Präsidenten der Hells Angels Oder-City aus Frankfurt (Oder) als Weichei beleidigt haben.

Für die Hells Angels war die Angelegenheit also eine Frage der Rockerehre: Die Rache dafür gab es am frühen Morgen des ersten Weihnachtsfeiertages. Laut Anklage stellt sich das Geschehen so dar: 15 Mitglieder der Hells Angels laufen damals auf dem Bahnhofsvorplatz in Königs Wusterhausen auf. Sie holen aus der Diskothek mehrere Männer heraus, einer der Hells Angels sagt, alle Gremium-Mitglieder sollen vortreten, und: „Wer den Präsidenten beleidigt, stirbt.“ Einem Mann des gegnerischen Rockerklubs, dem 26-jährigen Adam U., wird mit einem Schlagring von der Seite ins Gesicht geschlagen, er wird gepackt und gegen einen Zaun gedrückt. Von hinten stechen ihm die Angreifer mit einem Messer zweimal in den Rücken in die Nierengegend und verletzen ihn schwer.

Der Racheakt der Rocker vom Gremium-Klub Nomads East Side, die aus Südbrandenburg und Sachsen stammen, traf dann den unbeteiligten 15-Jährigen. Die seit März Angeklagten sollen in einer Gruppe von insgesamt 40 Rockern in die Diskothek Six in der Nähe des Bahnhofs von Königs Wusterhausen gegangen sein, ohne Eintritt zu bezahlen, um dort Mitglieder der Hells Angels zu suchen – allerdings vergeblich. Vor der Diskothek sollen die Rocker dann einen 15-Jährigen erblickt und ihn für ein Mitglied der Hells Angels gehalten haben. „Sie sollen ihn verfolgt und schließlich überfallen haben, um ihn zu demütigen und zu töten“, teilt das Gericht mit. „Die Angeklagten sollen den Jugendlichen getreten, mit Gegenständen geschlagen und mit Messern auf ihn eingestochen haben. Erst als sie das ohnmächtige Opfer für tot hielten oder mindestens davon ausgingen, der Jugendliche werde an den Verletzungen kurzfristig sterben, sollen sie von ihm abgelassen haben und davongefahren sein.“ Im Krankenhaus konnten die Ärzte damals das Leben des Jungen nur durch eine stundenlange Notoperation retten.

Nach den Vorfällen haben die Sicherheitsbehörden hart durchgegriffen. Der Hauptgrund dafür ist, dass Unbeteiligte von der Rockergewalt betroffen waren. Vermutet werden hinter der Rockergewalt in Königs Wusterhausen Machtkämpfe um die Gegend zwischen Königs Wusterhausen und Frankfurt (Oder), die traditionell Gremium zugerechnet wird. Tatsächlich haben die Hells Angels inzwischen in Berlin und Brandenburg ihre Vormachtstellung ausgebaut, laut Ermittlern sogar in ganz Ostdeutschland. Bei den Geschäften der Rocker geht es um Drogen, Waffen, Prostitution und mit Türsteherdiensten um die Kontrolle der Klubs und Diskotheken. (axf/dpa)

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