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Hells Angels in Potsdam vor Gericht: Opfer sagt im Rocker-Prozess aus

Attacken unter verfeindeten Rockerclubs sorgen bundesweit immer wieder für Schlagzeilen. Nach zwei fast tödlichen Überfällen versucht die Justiz in Brandenburg Hintergründe aufzuklären. Doch die Angeklagten schweigen.

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Potsdam  - Im Rocker-Prozess vor dem Landgericht Potsdam soll am Donnerstag das Opfer einer Messerattacke vernommen werden. Das Mitglied des Clubs "MC Gremium"  war am 25. Dezember 2011 in Königs Wusterhausen (Dahme-Spreewald) niedergestochen worden. Täter sollen Mitglieder des konkurrierenden "Hells Angels Motorradclubs Oder-City" sein. Drei Männer im Alter von 29 und 23 Jahren müssen sich wegen versuchten Mordes verantworten. Die Angeklagten schweigen bislang vor Gericht zu den Vorwürfen. Der Prozess wird von strengen Sicherheitsmaßnahmen begleitet. Bei der Messerattacke soll es sich um eine Machtdemonstration und einen Racheakt der Hells Angels gehandelt haben.

Die Angeklagten schwiegen am Dienstag zum Auftakt des Prozesses vor dem Landgericht Potsdam. Der Prozess wird von strengen Sicherheitsmaßnahmen begleitet. Nach Angaben eines Gerichtssprechers sind zunächst Termine bis zum 29. August geplant.

Laut Staatsanwaltschaft hatten sich die Angeklagten und weitere Rocker am 25. Dezember 2011 vor einer Disco versammelt und allein schon durch ihr geschlossenes Auftreten eine "Drohkulisse aufgebaut". Der 29 Jahre alte Hauptangeklagte habe dann dem Opfer klargemacht: "Wer den Präsidenten beleidigt, stirbt." Dann stach er - so der Vorwurf - zu. Das damals 26 Jahre alte Opfer erlitt zwei lebensgefährliche Stiche im Rücken.

Wie in den meisten in Rocker-Prozessen wird es von den Angeklagten keine Aussagen geben. Einer der Angeklagten ließ am Dienstag jedoch über seine Verteidigerin erklären, der Tatvorwurf treffe nicht zu. Alle Männer befinden sich im Gefängnis, einer verbüßt eine frühere Haftstrafe.

Die Messerattacke gilt als Auslöser für einen Angriff von Rockern auf einen unbeteiligten 15-Jährigen am Silvesterabend 2011 vor einer Diskothek in Königs Wusterhausen. Rocker hatten den Schüler angegriffen, weil sie ihn für ein Mitglied der Hells Angels gehalten hatten. Bei der Attacke wurde der Jugendliche fast zu Tode geprügelt. Dieser Fall beschäftigt seit Anfang März das Landgericht Cottbus. Angeklagt sind vier Rocker.

Die konkreten Auseinandersetzungen zwischen Anhängern der Rockerklubs Hells Angels und Gremium begannen Ende 2011 in der knapp 34 000 Einwohner zählenden Stadt am südöstlichen Stadtrand Berlins. Ein Gremium-Rocker soll an diesem Tag nach Angaben aus Ermittlerkreisen den Präsidenten der Hells Angels Oder-City aus Frankfurt (Oder) als Weichei beleidigt haben.

Für die Hells Angels war die Angelegenheit also eine Frage der Rockerehre: Die Rache dafür gab es am frühen Morgen des ersten Weihnachtsfeiertages. Laut Anklage stellt sich das Geschehen so dar: 15 Mitglieder der Hells Angels laufen damals auf dem Bahnhofsvorplatz in Königs Wusterhausen auf. Sie holen aus der Diskothek mehrere Männer heraus, einer der Hells Angels sagt, alle Gremium-Mitglieder sollen vortreten, und: „Wer den Präsidenten beleidigt, stirbt.“ Einem Mann des gegnerischen Rockerklubs, dem 26-jährigen Adam U., wird mit einem Schlagring von der Seite ins Gesicht geschlagen, er wird gepackt und gegen einen Zaun gedrückt. Von hinten stechen ihm die Angreifer mit einem Messer zweimal in den Rücken in die Nierengegend und verletzen ihn schwer.

Der Racheakt der Rocker vom Gremium-Klub Nomads East Side, die aus Südbrandenburg und Sachsen stammen, traf dann den unbeteiligten 15-Jährigen. Die seit März Angeklagten sollen in einer Gruppe von insgesamt 40 Rockern in die Diskothek Six in der Nähe des Bahnhofs von Königs Wusterhausen gegangen sein, ohne Eintritt zu bezahlen, um dort Mitglieder der Hells Angels zu suchen – allerdings vergeblich. Vor der Diskothek sollen die Rocker dann einen 15-Jährigen erblickt und ihn für ein Mitglied der Hells Angels gehalten haben. „Sie sollen ihn verfolgt und schließlich überfallen haben, um ihn zu demütigen und zu töten“, teilt das Gericht mit. „Die Angeklagten sollen den Jugendlichen getreten, mit Gegenständen geschlagen und mit Messern auf ihn eingestochen haben. Erst als sie das ohnmächtige Opfer für tot hielten oder mindestens davon ausgingen, der Jugendliche werde an den Verletzungen kurzfristig sterben, sollen sie von ihm abgelassen haben und davongefahren sein.“ Im Krankenhaus konnten die Ärzte damals das Leben des Jungen nur durch eine stundenlange Notoperation retten.

Nach den Vorfällen haben die Sicherheitsbehörden hart durchgegriffen. Der Hauptgrund dafür ist, dass Unbeteiligte von der Rockergewalt betroffen waren. Vermutet werden hinter der Rockergewalt in Königs Wusterhausen Machtkämpfe um die Gegend zwischen Königs Wusterhausen und Frankfurt (Oder), die traditionell Gremium zugerechnet wird. Tatsächlich haben die Hells Angels inzwischen in Berlin und Brandenburg ihre Vormachtstellung ausgebaut, laut Ermittlern sogar in ganz Ostdeutschland. Bei den Geschäften der Rocker geht es um Drogen, Waffen, Prostitution und mit Türsteherdiensten um die Kontrolle der Klubs und Diskotheken. (axf/dpa)

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