zum Hauptinhalt
Widersprüche. Der Angeklagte beschuldigte auch die Mutter des Babys.

© dpa

Brandenburg: „Papa aua macht“

Widersprüche im Prozess um Baby-Misshandlung: Angeklagter aus Brandenburg

Stand:

Stralsund - Im Stralsunder Prozess um die schwere Misshandlung eines drei Monate alten Babys aus Dranske hat die Mutter dem angeklagten Vater die Schuld zugewiesen. Zugleich wies sie Vorwürfe des 34-Jährigen zurück, an den Misshandlungen der gemeinsamen Tochter beteiligt gewesen zu sein. Sie sagte am Mittwoch vor dem Landgericht, er habe das Kind am 19. Oktober so stark geschüttelt, dass der Kopf vom Nacken auf die Brust geflogen sei. Danach habe er die Kleine auf die Couch gelegt und ihr mit den Ellbogen in den Rücken gehauen.

Am Abend und am nächsten Tag sei das Mädchen, das bis dahin ein Schreikind gewesen sei, sehr ruhig gewesen. Auf die Frage der Richterin, warum sie dann keinen Notarzt gerufen habe, erklärte die Ex-Verlobte des 34-Jährigen, sie sei hilflos gewesen: „Ich wusste nicht, wo ich hinsollte.“ Die Staatsanwaltschaft ermittelt bislang wegen unterlassener Hilfeleistung gegen die Mutter.

Der aus Brandenburg stammende Mann, der mit seiner damaligen Verlobten und den drei gemeinsamen Kindern zum „Probewohnen“ als letzte Stufe des Maßregelvollzuges auf der Insel Rügen lebte, hatte beim Prozessauftakt ein Teilgeständnis abgelegt. Er hatte aber auch die Mutter schwer beschuldigt. Der Vater war am 21. Oktober festgenommen worden, nachdem er den Notarzt gerufen hatte und Ärzte bei dem Baby lebensbedrohliche Verletzungen festgestellt hatten.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, das Kind seit Anfang Oktober in sechs Fällen schwer misshandelt zu haben. So soll er am 18. Oktober in Abwesenheit der Mutter den Kopf des Kindes zwischen Türrahmen und Türblatt geklemmt haben. Die Staatsanwaltschaft bezieht sich dabei auf Aussagen des dreijährigen Geschwisterkindes.

In einem Polizeivideo, das am Mittwoch abgespielt wurde, demonstriert der Junge seine Beobachtungen mithilfe eines Teddys. „Papa Tür zuruppt“, sagt der Kleine. Auch einer Polizistin, die auf die Kinder kurzfristig aufpasste, hatte er gesagt: „Papa aua macht.“ Eine Psychologin, die von der Kammer gehört wurde, hält die Aussagen des Kindes für glaubwürdig. Wie die Mutter zuvor erklärt hatte, soll schon an diesem Abend das Mädchen blaue Flecken gehabt und aus Nase und Mund geblutet haben.

Die Familiensituation beschrieb sie – wie auch er am ersten Prozesstag – als konfliktreich. Es habe öfter Streit um Haushalt, Geld und Kindererziehung gegeben. Das häufig schreiende Kind – kein Wunschkind, wie beide übereinstimmend aussagten – war offenbar für beide eine große Herausforderung. So habe er zu ihr gesagt: „Bring du sie zum Schweigen, sonst mach ich das für immer.“ Die Frau sprach auch von tätlichen Angriffen ihres Ex-Verlobten gegen sie. Er will hingegen beobachtet haben, dass sie das Kind geschüttelt und ihm mit der Faust auf den Kopf geschlagen habe.

Das Kind ist nach Angaben einer Ärztin aus der behandelnden Rehabilitationsklinik schwerstbehindert. Eine Pflegerin der Klinik, die die junge Familie bis Anfang März in der Klinik betreute, zeigte sich überzeugt, dass die junge Frau mit den drei kleinen Kindern überfordert sei und Hilfe bei der Tagesstrukturierung benötige. Die Frau lebt jetzt mit den Kindern in einer betreuten Wohneinrichtung.

Die Anwältin, die Isabell als Nebenklägerin vertritt, verlangt für Isabell ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 10 000 Euro. Der Angeklagte signalisierte, dass er die Forderung akzeptieren werde. Das Jugendamt des Kreises Vorpommern-Rügen erfuhr nach Angaben eines Sprechers erst mit der Festnahme des Mannes von der Familie, die war erst vier Monate vor der Tat von Brandenburg nach Rügen gezogen. Die Frau hatte auf Rügen eine Ausbildung begonnen. Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt. Martina Rathke

Martina Rathke

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })