Brandenburg: Papiergeld
Immer weniger Papier landet statt in der Tonne bei privaten Annahmestellen – gegen Geld
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Oranienburg - Ist es Diebstahl oder bringen die Leute ihr Papier jetzt selbst weg? In der Chefetage des regionalen Papierentsorgers AWU (Abfall-Wirtschafts-Union) im Kreis Oberhavel staunte man jedenfalls nicht schlecht, als man kürzlich die Bilanzen durchrechnete. „300 Tonnen mehr hätten im vergangenen Jahr eigentlich eingesammelt werden müssen“, sagt AWU-Chef Manfred Speder. Statt der erwarteten Vorjahresmenge von 16500 Tonnen landeten aber lediglich 16200 Tonnen in den blauen Behältern.
Mehr noch: Die Entsorgungsquote hätte eigentlich steigen müssen, weil auch die Einwohnerzahl in dem Speckgürtel-Kreis zunimmt. Dementsprechend hat das Unternehmen nämlich auch die Anzahl der blauen Altpapier-Container erhöht. Rund 2500 stehen derzeit im Kreis Oberhavel.
Grund genug für den AWU-Geschäftsführer, Anzeigen in der örtlichen Presse zu schalten, um vermeintlichen Papierdieben Einhalt zu gebieten. „Noch handelt es sich um eine Abweichung von knapp zwei Prozent“, sagt Speder, der befürchtet, dass Papierklau Schule machen könnte. „Wenn Kinder Papier sammeln und selbst wegbringen, ist das kein Thema für uns“, erklärt er. Wenn aber Papierdiebe nachts die Tonne leeren, höre der Spaß auf.
Dass es wirklich kein Kavaliersdelikt ist, Altpapier aus blauen Tonnen zu nehmen und selbst zu entsorgen, bestätigt Horst Lasarzewski, zuständiger Referent im brandenburgischen Umweltministerium. Es gelten die allgemeinen Strafen für Diebstahl, warnt er. Laut Landesrecht drohe je nach Ausmaß des Schadens ein Bußgeld bis zu 50 000 Euro.
Tatsächlich wird es immer lukrativer, sein Papier selbst wegzubringen – ob nun geklaut oder legal gesammelt: Der Papierpreis ist in den vergangenen drei Jahren auf das Doppelte gestiegen, sagt Lasarzewski. Der weltweite Rohstoffbedarf besonders in China sei die Ursache. Je nach Qualität, ob Mischpapier, Kartonage oder reinstes Zeitungspapier liege er zwischen 60 und 100 Euro pro Tonne.
Parallel zu dieser Entwicklung steigt auch das Interesse privater Anbieter, die Papier annehmen und selbst an die Papierfabriken liefern. Wie zu DDR-Zeiten können mittlerweile allerorten Zeitungssammler ihre zusammengeschnürten Pakete abgegeben und bekommen einen – wenn auch geringen – Obolus.
Im uckermärkischen Templin beispielsweise hat sich Andreas Titze nach mehrjähriger Arbeitslosigkeit mit dieser Geschäftsidee selbstständig gemacht. Mittlerweile hat er ein Netz von Annahmestellen in Prenzlau, Templin und Angermünde geschaffen, in denen Altpapier abgegeben werden kann. Seine Abnehmer findet er in der Schwedter Papierindustrie. Die dortigen Papierwerke setzen fast ausschließlich Altpapier für ihre Produktion ein.
Beliefert werden die Papierwerke auch von der Union-Wertstoffhandel GmbH – mit ihrer Papierbank einer der Senkrechtstartern in der Branche. Fünf Cent zahlt das Unternehmen pro Kilo an die privaten Lieferanten. Das System der Papierbank ist simpel: Jeder kann sich mit einer Kundennummer im Internet registrieren lassen. Diese schreibt er dann auf jedes Zeitungspaket, das er zu einer der Filialen oder zum Container bringt. Das Papier wird gewogen, das Geld überwiesen. 200 Kilogramm muss man allerdings erst mal weggebracht haben, ehe man die ersten zehn Euro auf dem Konto hat.
„Unser Unternehmen funktioniert auf Franchise-Basis also mit der Vergabe von Lizenzen“, erklärt Petra Götting, die Leiterin des Papierbank-Kundenservice. 2004 habe die erste Filiale am Berliner Alexanderplatz geöffnet. Mittlerweile sei ein Netz von über 40 Filialen allein in Berlin und Brandenburg entstanden. Rund 50 seien es insgesamt in Deutschland, die nach ihren vorsichtigen Schätzungen zwischen 40 und 120 Tonnen monatlich einfahren. Tendenz steigend. „Wir haben schon wieder 60 neue Bewerbungen auf dem Tisch."
Schlechte Zeiten also für die öffentlich rechtlichen Unternehmen und deren blauen Tonnen und Container? Die versuchen Götting zufolge, der Papierbank „hin und wieder gerichtlich eins auszuwischen – aber ohne Erfolg.“
Der Aufstieg der Privaten Entsorger und das Taschengeld für den Endverbraucher haben aber auch ihre Schattenseiten. „Die öffentlich rechtlichen Entsorger arbeiten nämlich mit einer Mischkalkulation“, sagt Horst Lasarzewski. Mit den Einnahmen aus dem Altpapier werde der Preis für die gesamte Müllentsorgung gedrückt. Haben die Öffentlichen also weiterhin weniger Papier in ihren Tonnen, berge das die Gefahr, dass die Müllgebühren steigen. Und, so warnt Müllentsorger Lasarzewski: „Dort, wo blaue Tonnen vor den Haustüren verschwinden, landet auch wieder mehr Papier in der Restmülltonne.“
In der Uckermark hat der kommunale Entsorger, die Zeichen der Zeit erkannt: Seit Anfang März nimmt auch der Entsorger ALBA Uckermark Altpapier entgegen und gibt fünf Cent pro Kilogramm. Mitgesellschafter der ALBA Uckermark ist die Uckermärkische Dienstleistungsgesellschaft (UDG) – der kommunale Entsorger, der in der Uckermark die blauen Tonnen aufstellt.
Mitarbeit: Juliane Sommer (ddp)
Andreas Wilhelm
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