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Brandenburg: Patienten müssen immer länger warten Praxen schließen öfter wegen erschöpfter Budgets

Berlin - Wer zum Arzt will, muss länger warten – sowohl auf einen Termin als auch im Wartezimmer. Das ergab eine Versichertenbefragung, deren Ergebnisse die Kassenärztliche Vereinigung gestern vorstellte.

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Berlin - Wer zum Arzt will, muss länger warten – sowohl auf einen Termin als auch im Wartezimmer. Das ergab eine Versichertenbefragung, deren Ergebnisse die Kassenärztliche Vereinigung gestern vorstellte. Vor zwei Jahren hatte sie eine ähnliche Befragung durchführen lassen. Damals bekamen 53 Prozent der Versicherten noch am selben Tag einen Arzttermin, jetzt waren es nur noch 48 Prozent. Gegenüber 31 Prozent im Jahr 2006 bekamen in diesem Jahr nur noch 22 Prozent einen Termin innerhalb einer Woche. Privatpatienten hatten nur unwesentlich bessere Werte.

Als Grund nannte der Berliner KV-Geschäftsführer Dusan Tesic die gestiegenen Patientenzahlen. In Berlin gebe es mehr Kranke und besonders auch mehr chronisch Kranke als im Bundesdurchschnitt. Mehrere KV-Vertreter forderten zur Besserung der Lage wesentliche Honorarsteigerungen. Zeitgleich verhandelten Kassen und Ärzte auf Bundesebene über eine Honorarreform, bis zum Nachmittag allerdings erfolglos. „Ärzte erbringen ein Drittel ihrer Leistungen umsonst“, sagte KV-Vorstandschefin Angelika Prehn, die selbst eine Hausarztpraxis betreibt. Wenn es nicht endlich mehr Geld gebe, werde die Patientenversorgung noch schlechter werden.

Wenn der Arzt überhaupt da ist. In diesem Sommer kam es offenbar häufiger vor, dass Ärzte ihre Praxis schlossen, ohne einen Vertreter zu benennen. „Manche haben wegen erschöpfter Budgets länger Urlaub gemacht“, sagte Prehn. Ab einer Woche Urlaubsdauer sei aber jeder verpflichtet, einen Vertreter zu benennen, und dieser müsse dann auch da sein. „Wir haben gemerkt, dass Verstöße zunehmen, und gehen jetzt schärfer dagegen vor“, so Prehn. Erst gebe es eine Ermahnung, dann Geldstrafen, und als äußerstes könne die Zulassung entzogen werden.

In Berlin zeigen sich auch immer mehr weiße Flecke auf der Landkarte. Speziell aus Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg und Hohenschönhausen wandern Fachärzte ab. Das war am Montag auch schon von Berlins Patientenbeauftragter kritisiert worden. Möglich ist das, weil Berliner Ärzte frei umziehen können und mit ihrem Kassenarztsitz nicht an einen bestimmten Bezirk gebunden sind. Bis 2003 war das anders. „Damals konnten sich Ärzte nur niederlassen, wo in ihrer Fachgruppe ein Sitz frei war“, so KV-Sprecherin Annette Kurth. Ob man diese Regelung wieder einführen sollte, ist politisch umstritten. Die SPD-Gesundheitspolitikerin Stefanie Winde sprach sich dafür aus, sieht dafür aber nicht die Politik, sondern die KV in der Pflicht. „Sie hat einen Versorgungsauftrag und muss diesen in ganz Berlin erfüllen“, so Winde. Die grüne Heidi Kosche hält das für „diskussionswürdig“, weil ältere und schwächere Menschen oft nicht mehr mobil genug seien, um längere Anfahrtswege zurückzulegen. Allerdings ist die Arztdichte in Berlin immer noch höher als anderswo.

Für die Umfrage hatte die Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen von Mai bis Juni in Deutschland mehr als 6000 Versicherte befragt, davon 263 in Berlin. Trotz der geringen Zahl sei die Umfrage repräsentativ, versicherte die KV.

Kassenärzte in Berlin haben nach einer Untersuchung des Bundesgesundheitsministeriums das niedrigste Bruttoeinkommen in ganz Deutschland. Während ein Hausarzt in Berlin brutto 63 426 Euro pro Jahr verdient, kommt sein Kollege in Bayern auf 93 752 Euro.

Insgesamt praktizieren in der Bundeshauptstadt 6800 niedergelassene Ärzte, die pro Quartal rund sechs Millionen Menschen behandeln. Fatina Keilani

Fatina Keilani

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