Brandenburg: Patientenakten auf dem Prospektständer im Flur Landesdatenschutzschutzbeauftragte: Mängel bei IT-Sicherheit im Finanzministerium des Landes
Potsdam - Nicht nur für Behörden, auch für Firmen und Privatleute im Land Brandenburg ist Datenschutz oft ein Fremdwort. Das geht aus dem aktuellen Datenschutzbericht für die Jahre 2010 und 2011 hervor, den die Landesbeauftragte Dagmar Hartge am Dienstag im Landtag vorstellte.
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Potsdam - Nicht nur für Behörden, auch für Firmen und Privatleute im Land Brandenburg ist Datenschutz oft ein Fremdwort. Das geht aus dem aktuellen Datenschutzbericht für die Jahre 2010 und 2011 hervor, den die Landesbeauftragte Dagmar Hartge am Dienstag im Landtag vorstellte. Das 232–Seiten-Werk enthält nämlich erstmals Verstöße aus dem „nichtöffentlichen Bereich“, für den Hartge seit 2009 ebenfalls zuständig ist.
Der war vorher eine Grauzone, ist aber bei Schlamperei und Missbrauch im Umgang mit sensiblen Daten den Verwaltungen gleichgezogen, habe diese teils übertroffen, so Hartge. „Wir haben lernen müssen, dass man sich nicht vorstellen kann, was möglich ist“. Als „Schreckensthema“ nannte Hartge die Videoüberwachung durch Private, bei denen – anders als bei der restriktiven Praxis von Behörden oder der Polizei - gleich mehrere krasse Verstöße gegen Persönlichkeitsrechte gerügt werden. Da ließ etwa ein Privatmann gleich mit drei Videokameras die öffentliche Straße samt Gehweg überwachen, um seinen geparkten Wagen zu sichern – die Bilder stellte er live ins Internet. Grundsätzlich gelte abe, dass „allenfalls bis knapp hinter der Zaungrenze“ des eigenen Grundstücks gefilmt werden dürfe. Diese Winkel würden in gehobeneren Wohnlagen etwa in Potsdam oft nicht eingehalten.
Aufgeführt ist auch eine Therme, die nicht nur Schließfächer überwachen ließ, was zulässig sei, sondern selbst den Ruheraum. Und durch einen anonymen Hinweis wurde die Behörde bei einem kleinen Produktionsbetrieb im Norden des Landes fündig, der seine 21 Mitarbeiter mit acht Kameras filmte – als Diebstahlprävention. Nach der Intervention mussten die Kameras abmontiert werden.
Es gibt aber auch Fälle, die differenzierter liegen. So ließ die Eigentümergemeinschaft einer Wohnanlage eine Videokamera am Mülltonnenplatz installieren, nachdem dort mehrfach in den Nachtstunden wilder Müll abgekippt worden war. In diesem Fall ließ die Datenschutzbehörde die Kamera befristet für sechs Monate zu, allerdings mit der Auflage, dass sie nur in den Nachtstunden läuft und die Daten nicht länger als 48 Stunden gespeichert werden. Auffällig ist auch das Gesundheitswesen, das im Bericht breiten Raum einnimmt. Gerügt wird etwa eine Arztpraxis, in der Patientenakten im Flur auf dem Prospektständer lagerten, eine Röntgenpraxis, die alte Patientenhefter „mit Namen und Geburtsdaten“ bei Ebay anbot - mit einer „Datenschutzklausel“, so Hartge ironisch: Der Käufer sollte sich verpflichten, die Daten zu entfernen.
Wie im letzten Bericht werden auch Mängel bei der IT–Sicherheit im Land kritisiert, diesmal beim Finanzministerium. Dort wurden Rechner von einem Computerwurm befallen, weil die Virensoftware veraltet war. Politisch brisant ist eine andere Rüge. Bei der Akteneinsicht für Bürger, die Brandenburg als erstes Bundesland zum Verfassungsrecht machte, ist das Land nach Worten von Hartge inzwischen „Schlusslicht“. Das 1998 beschlossene Gesetz sei so restriktiv, dass es Brandenburger schwerer als Bürger anderer Bundesländer haben, Behördenakten einzusehen. Die Klauseln zu Unternehmens- und Geschäftsgeheimnissen seien viel zu eng gefasst, sagte Hartge. Trotzdem gebe es auch Behörden, die selbst dieses Gesetz noch viel zu eng auslegen. So habe die Sozialbehörde eines Landkreises keinen Einblick in „internen Dienstanweisungen“ für seine Mitarbeiter geben wollen. „Dabei ist es doch genau das Ziel, eine transparente Verwaltung“. Hartge forderte den Landtag auf, wieder für ein modernes, der Verfassung entsprechendes Akteneinsichtsgesetz zu sorgen. Eine Forderung, die die Grünen und die Piratenpartei umgehend unterstützten.
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