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Brandenburg: „Pieck in Beton“ – abreißen oder erhalten?
Eine Sanierung des Denkmals in der Geburtsstadt des einzigen DDR-Präsidenten würde viel Geld kosten. Ist Pieck das noch wert?
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Guben - Risse im Beton und ein bröckelndes Fundament – das Denkmal für den einzigen DDR-Präsidenten Wilhelm Pieck in Guben ist sichtbar in die Jahre gekommen. Der mit Bronzereliefs verzierte Stahlbetonbau in der Neiße-Stadt, wo Pieck (1876-1960) geboren wurde und die von 1961 bis 1990 seinen Namen trug, müsste nach Ansicht der örtlichen Linksfraktion dringend saniert werden.
Doch die von einer Firma veranschlagten Kosten von 110 000 Euro sind Wasser auf die Mühlen der Kritiker aus den Fraktionen von CDU und SPD. Sie wollen diesen „Pieck in Beton“ nicht erhalten, sondern den Sohn und Ehrenbürger der Stadt bescheidener würdigen. Deshalb hat die Kostendebatte über das geschützte Denkmal auch eine Diskussion über die damalige politische Rolle Piecks ausgelöst, der von 1949 bis zu seinem Tod im Jahr 1960 Präsident der DDR war.
Für Kerstin Nedoma, Chefin der Gubener Linksfraktion, steht fest: „Die Debatte um die Finanzierung der Denkmalsanierung ist von den Pieck-Kritikern nur vorgeschoben.“ Piecks Wirken müsse man in die historische Situation einordnen, bemerkt sie und plädiert zugleich dafür, weitere Geldquellen für die Sanierung zu suchen.
Einen ähnlichen Streit wie in Guben gab es Anfang der 1990er-Jahre in Berlin um die Denkmäler des kommunistischen Arbeiterführers Ernst Thälmann und des sowjetischen Revolutionsführers Wladimir Iljitsch Lenin. Ergebnis der Kontroversen: Die Thälmann-Plastik im Stadtbezirk Prenzlauer Berg blieb stehen, aber Schrifttafeln in Propagandasprache wurden demontiert. Dagegen wurde das monumentale Lenin-Denkmal in Berlin-Friedrichshain 1991 in Stücke zersägt und vergraben. Das Karl-Marx-Denkmal in Chemnitz durfte stehen bleiben. Allerdings wurde der von Rissen durchzogene Sockel des Bronzekopfes, im Volksmund „Nischel“ genannt, saniert.
Auch das von der SED-Führung einst gepflegte Bild von Pieck als väterlichem Arbeiterführer hat tiefe Risse bekommen. Kritiker halten den Kommunisten für einen Vertreter des Stalinismus unter dem Staats-und Parteichef Walter Ulbricht. Damit sei Pieck auch verantwortlich für die Gründung der Stasi sowie für Unrecht und Unterdrückung. Deshalb würde die Gubener CDU-Fraktion das zehn Meter hohe, 1976 errichtete Pieck-Denkmal am liebsten abreißen lassen, sagt Fraktionschef Karl-Heinz Mischner. „Pieck kann auch an einem anderen Standort in Guben geehrt werden“, schlägt er vor.
Der Wissenschaftler Jochen Staadt vom Forschungsverbund SED-Staat an der Freien Universität Berlin wertet Pieck als einen Politiker, der in der Weimarer Republik die Parlamentarische Demokratie ablehnte und die Sozialdemokraten als „Sozialfaschisten“ beschimpfte. „Als DDR-Präsident hat sich Pieck gnadenlos gezeigt, als er sich weigerte, politische Häftlinge, die zum Tode verurteilt waren, zu begnadigen.“ Pieck müsse man deshalb nicht mit einem Denkmal würdigen.
Das sieht Professor Jochen Hofmann, Sprecher der Historischen Kommission der Berliner Linken, etwas differenzierter: „Pieck war kein lupenreiner Kommunist, aber ein treuer Parteisoldat.“ Wegen einer Erkrankung habe er sich während des Volksaufstandes am 17. Juni 1953 in der Sowjetunion aufgehalten und nicht an Entscheidungen gegen die protestierenden Arbeiter mitgewirkt.
Auch für den Gubener SPD-Fraktionsvorsitzende Günter Quiel war Pieck nicht das große Vorbild, das die SED-Führung von ihm zeichnete.
Deshalb sei die Fraktion gegen eine Komplettsanierung des Monuments und wolle den Denkmalstatus streichen lassen. „Wir müssen den Gubenern aber etwas von Pieck übrig lassen“, schränkt er ein. Deshalb sollten die Denkmalreliefs abgenommen und woanders in der Stadt aufgestellt werden, etwa auf dem „Platz des Gedenkens“.
Die Gubener Volksvertreter wollen in den nächsten Wochen erneut beraten, wie sie mit dem ungeliebten, sanierungsbedürften DDR-Denkmal umgehen. Ein erster Versuch der Stadtverwaltung, den Bau von der Brandenburger Denkmalliste streichen zu lassen, war vor einigen Jahren gescheitert. Jetzt soll möglicherweise ein neuer Anlauf genommen werden, doch Ralph Paschke vom Landesamt für Denkmalpflege sieht dafür wenig Chancen. „Wir erhalten Geschichtszeugnisse, und das Wilhelm-Pieck-Denkmal steht für die Gedenkkultur in der DDR.“
Peter Jähnel
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