
© dpa
Vor der ersten Fraktionssitzung: Piraten streiten über Transparenz
Wieviel Transparenz darf es sein? Auf dem Weg in den Parlamentsbetrieb muss die Piratenpartei diese Frage plötzlich konkret beantworten - und ist prompt uneins, ob die Öffentlichkeit angeht, was bei der ersten Fraktionssitzung besprochen wird.
Stand:
Dreißig Piraten waren gekommen, am Abend nach der Wahl, in die Parteizentrale in der Pflugstraße in Mitte. 26 Stunden war es her, dass sie einen Wahlsieg errungen hatten, der noch größer war, als sie zu hoffen gewagt hätten. Nun sollte es an die Arbeit gehen. Wer schreibt eine Fraktionssatzung? Wo gibt es Informationen zum Abgeordnetengesetz? Um Fragen wie diese ging es zuerst - dann aber ganz schnell um eine größere, wichtigere Entscheidung: Wieviel Transparenz kann es geben im politischen Alltag? Wie wollen die Piraten ihr Wahlversprechen umsetzen, die Arbeit des Abgeordnetenhauses für alle Bürger transparent zu machen?
Am Donnerstagabend werden sich die fünfzehn Abgeordneten zu ihrer ersten Fraktionssitzung treffen, so viel war schnell klar.
Bei der Sitzung wird es aller Voraussicht nach auch darum gehen, einen oder mehrere Fraktionsvorsitzende zu wählen. Es wird also konkret, es geht um Richtungsentscheidungen - und auch um Macht. Noch nicht klar ist aber, ob die Öffentlichkeit zuschauen kann, wie die Piraten tagen. "Wir müssen wirklich wissen, da können wir offen miteinander reden", sagte Christopher Lauer, einer der prominentesten Berliner Piraten. Die Frage nach Ambitionen auf den Fraktionsvorsitz hatte er am Wahlabend mit dem Satz kommentiert: "Derjenige, der zuerst sagt, dass er will, wird es auf keinen Fall."
Am Montagabend forderte Lauer, die Fraktionssitzung nicht öffentlich zu machen, nichts aufzuzeichnen, keinen Livestream in das Internet zu stellen. "Die fünfzehn Piraten, und es wird Tacheles geredet." Es verstoße nicht gegen die Forderung nach Transparenz, wenn die Fraktion sich als Gruppe, in der gruppendynamische Prozesse abliefen, erst einmal selbst finde.
Einige Parteimitglieder unterstützten Lauers Vorschlag: "Damit nicht die ganze Welt merkt, wie viel wir zu tun haben", so begründete ein Pirat, warum es sinnvoll sein könnte, ohne den skeptischen Blick der Öffentlichkeit zu diskutieren. Es gab aber auch scharfe Kritik: "Wir sind transparent, damit sind wir in den Wahlkampf gegangen", sagte Gerwald Claus-Brunner. Er wolle sich dafür einsetzen, die Sitzung öffentlich zu machen - im Zweifel mit seinen eigenen Mitteln. "Wovor haben wir denn Angst?", fragte Brunner.
Einige Parteimitglieder sprachen sich für einen Mittelweg aus - und brachten das böse Wort "Zensur" ins Spiel. Pavel Meyer, der ebenfalls für die Piraten im nächsten Abgeordnetenhaus sitzen wird, sagte, man könne die Sitzung aufzeichnen, anschließend "personenbezogen zensieren" - und erst dann ins Netz stellen. Es gab Gelächter über den Begriff Zensur, der bei den Piraten als Unwort gilt. Die Idee aber war in der Welt - denn so wäre es möglich, Streit um und zwischen Personen nicht öffentlich zu machen. Dafür, aufzuzeichnen, hinterher aber gegebenenfalls zu zensieren, sprach sich auch Simon Kowalewski aus, ebenfalls ein kommender Abgeordneter. Er sagte: "Dann haben wir nicht gleich gegen alles verstoßen, was wir unseren Wählern versprochen haben."
Beschlossen wurde nur am Ende nur eines: Dass die Runde keine Entscheidung trifft, sondern die 15 Abgeordneten als Gruppe selbst entscheiden dürfen, wie öffentlich ihre Sitzung sein soll. Spitzenkandidat Andreas Baum führte zwar die Rednerliste, schaltete sich selbst aber nicht in die Debatte ein. Noch ist also nicht klar, ob am Donnerstag die Türen zum Fraktionssaal verschlossen bleiben. In einem allerdings waren sich die Piraten einig: "3,6 Millionen Menschen blicken auf uns".
Karin Christmann
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: