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Brandenburg: Platzeck lehnt Fahrplan für Fusion ab

Opposition kritisiert neues Leitbild für die Hauptstadt-Region / Körting für Neugliederung der Länder

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Potsdam/Berlin - Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) lehnt einen neuen, konkreten Fahrplan zur Vereinigung von Brandenburg und Berlin ab. Die häufig gestellte Frage nach einem Fusions-Termin „löst kein Problem“, sagte Platzeck gestern unter Beifall im Landtag. „Wir dürfen das Pferd nicht von hinten aufzäumen.“ Vielmehr erwarteten die Menschen, dass Berlin und Brandenburg Probleme lösen, die Zusammenarbeit verbessern, „enger zusammenwachsen“. Dann werde „irgendwann“ die Fusion „der Schlussstein sein, der von selbst kommt.“ Zuvor hatte CDU-Fraktionschef Thomas Lunacek die Zurückhaltung des Regierungschefs indirekt kritisiert: Es nutze keinem, „wenn in der Frage der Länderfusion gezaudert oder gezögert wird“. Er blieb in der Aktuellen Stunde des Landtages der Einzige, der auf eine zügige Fusion drängte.

Im Mittelpunkt stand das neue Leitbild für die Hauptstadt-Region Berlin-Brandenburg, welches das vorrangig auf die berlinfernen Regionen ausgerichtete und gescheiterte Prinzip der „Dezentralen Konzentration“ ablösen soll. Platzeck hob hervor, dass sich erstmals in Deutschland zwei Länder auf eine gemeinsame Entwicklungsstrategie verständigt haben. „Wir sind nicht hintenan, wir sind vorneweg.“ PDS-Oppositionsführerin Kerstin Kaiser kritisierte scharf die „Berlin-Zentriertheit“ des neuen Leitbildes: „Man glaubt, Sie seien die Regierung des Berliner Speckgürtels.“ Sie warf Platzeck vor, sich im Leitbild nicht genügend für Gesamtinteressen Brandenburgs eingesetzt zu haben – anders als der rot-rote Senat für Berlin. Nach Worten Kaisers wird die PDS in ihrem Leitbild, das im Herbst präsentiert wird, auf „gleichberechtigte Regionen“ setzen. Nach Ansicht der Opposition darf sich nicht alles um Berlin drehen – so sei die Prignitz auch auf Hamburg, die Uckermark auch auf Stettin, die Lausitz auch auf Sachsen ausgerichtet. Platzeck dazu: „Man sollte sich hüten, die Hauptstadtregion wieder künstlich in Regionen aufzuteilen“. SPD-Fraktionschef Günter Baaske ging auf Sorgen berlinferner Regionen ein, abgehängt zu werden: „Mittelfristig werden auch die Menschen in den entlegenen Regionen von der neuen Strategie profitieren.“ Denn die Wachstumsregionen würden ausstrahlen. CDU-Fraktionschef Thomas Lunacek ging mit der PDS besonders hart ins Gericht. „Normalerweise treibt eine Opposition die Regierung vor sich her. Sie hinken hinter der Entwicklung her.“ Sein Fazit: „Die PDS ist eine müde Opposition.“

Unterdessen hat Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) sich erneut für eine Neugliederung besonders der Ostländer aber auch der Stadtstaaten ausgesprochen. Körting sagte dieser Zeitung, die Fusionsfrage stelle sich vor allem für die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen, aber auch für das kleine Saarland. Auch kann er sich einen Nordstaat vorstellen, eine Fusion von Berlin, Brandenburg und Pommern oder gar eine Allianz aller ostdeutschen Länder.

Eine geringere Zahl von Ländern, die finanzkräftiger und verwaltungsmäßig effektiver seien, stärke den Föderalismus in Deutschland. „Ein Föderalismus der Fußkranken macht keinen Sinn.“ Die Alternative dazu wäre der Zentralstaat, aber den wolle niemand. Der Innensenator unterstützt deshalb den Vorschlag des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger (CDU), die verfassungsmäßigen Hürden für die Neugliederung der Länder zu senken. Das Grundgesetz schreibt dafür getrennte Volksabstimmungen in den – an einer Fusion beteiligten – Ländern vor. Das Instrument der Volksabstimmung solle beibehalten werden, forderte Körting. Eine Veränderung der Grenzen innerhalb Deutschlands bedürfe einer hohen Legitimation. Aber es müsse verhindert werden, dass der kleinere, bevölkerungsarme Fusionspartner eine Neugliederung blockiere. Körting schlug vor, bei einer Fusions-Volksabstimmung die getrennte Stimmauszählung abzuschaffen. „Die Bevölkerung im neu zu gründenden Land soll gemeinsam entscheiden.“ Oder die Volksabstimmung werde bundesweit durchgeführt.

Bei der Volksabstimmung 1996 über Berlin-Brandenburg fand sich zwar in Berlin eine Mehrheit von 53,6 Prozent, aber in Brandenburg votierten nur 36,3 Prozent für die Fusion.

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