Von Johann Legner: Platzeck mahnt differenziertes DDR-Bild an „Ostdeutsche Geschichte“ soll neu bewertet werden
Potsdam - Ministerpräsident Matthias Platzeck vermisst bei der gegenwärtigen Diskussion zum Umgang mit der DDR-Vergangenheit ein hinreichend wirklichkeitsnahes Bild des DDR-Alltags. Er sagte gestern in Potsdam, es sei an der Zeit, dass „die ostdeutsche Geschichte noch mal neu bewertet wird“.
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Potsdam - Ministerpräsident Matthias Platzeck vermisst bei der gegenwärtigen Diskussion zum Umgang mit der DDR-Vergangenheit ein hinreichend wirklichkeitsnahes Bild des DDR-Alltags. Er sagte gestern in Potsdam, es sei an der Zeit, dass „die ostdeutsche Geschichte noch mal neu bewertet wird“. Er wolle eine Diskussion, die dem Leben der Menschen gerecht werde. Bei vielen Gesprächen im Land werde er immer wieder darauf angesprochen, dass die Menschen beispielsweise den Umgang mit ihren beruflichen Kenntnissen und Erfahrungen nach 1990 beklagten. „Die reden sich dann regelrecht in Rage, weil sie sich nicht hinreichend respektiert fühlen“, sagte er zu den Berichten über die von Brandenburgern als demütigend empfundenen Prüfungen oder Zusatzausbildungen, die ihnen nach dem Ende der DDR auferlegt wurden.
Die Debatte um die Rolle der Stasi verstelle den Blick auf die Lebenswirklichkeit eines Großteils der Bevölkerung und verhindere dann „ein wirkliches Gespräch“ über die Zeit unter der SED-Herrschaft. Es habe nur wenige geben, die „nur schuldig oder nur unschuldig waren“, sagte Platzeck. „98 Prozent lagen irgendwo dazwischen“ meinte er und verwies darauf, dass dies bei jeder Diktatur zu beobachten sei. Er wünsche sich eine Diskussion, bei der die Menschen nicht den Eindruck gewinnen müssten, ihr früheres Leben werde nicht respektiert. Die schlechten Werte, die bei Umfragen über die Wertschätzung für die Demokratie erzielt würden, hingen auch mit „dem Umgang mit ostdeutschen Lebensläufen“ zusammen. Und er wünsche sich Rückblicke, die nicht ausschließlich auf Themen wie die Stasi fixiert seien. „Was wir brauchen, sind endlich mal Filme über das wirkliche Leben, in denen sich die Leute wirklich widergespiegelt fühlen“, sagte er dazu. Die Westdeutschen, die sich „in aller Regel“ nicht für den Osten interessierten, könnten dann dazu gebracht werden, auch mal zu fragen, „wie es denn wirklich war“.
Nicht eindeutig festlegen will Platzeck sich bei der Frage, inwieweit die Berichte über die Stasi-Vergangenheit einiger Abgeordneter der Linkspartei dem Land schaden könnten. Die zwei, die ihre Mitarbeit bei der Geheimpolizei verschwiegen haben, hätten dem Land allerdings „einen Bärendienst“ erwiesen. Platzeck betonte noch einmal, für wie wichtig er die Berufung der früheren Bürgerrechtlerin Ulrike Poppe zur Diktatur-Beauftragten – wie er es nannte – hält. Er sagte zum Thema Staatssicherheit noch, dass man „aufpassen muss, dass das nicht irgendwann so wird wie bei dem Wort Frieden in der DDR, wo dann keiner mehr hinhörte“.
Der christdemokratischen Opposition warf er vor, in den letzten Jahren still gehalten zu haben beim Thema Aufarbeitung. „Ich habe da nicht wahrnehmen können beispielsweise bei den Koalitionsverhandlungen 2004, dass die sich dafür interessiert hätten“ sagte Platzeck mit Blick auf die jüngsten Aktivitäten der CDU-Führung.
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