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Spurensicherung. Nach dem spektakulären Überfall auf ein Poker-Turnier im März sicherte die Polizei im Hotel Hyatt in Berlin alle verfügbaren Spuren.

© Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Von Hannes Heine: Pokerraub: Polizei fasst sechsten Mann

31-jähriger Deutsch-Araber soll Chef der Bande sein / Vom Großteil der Beute fehlt weiter jede Spur

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Berlin - Und wieder eine Überraschung im Fall des spektakulären Pokerraubs vom Potsdamer Platz: Nachdem zuletzt ein zunächst unbekannter fünfter Mann als Kopf und Fluchtwagenfahrer der vier jungen Räuber verhaftet worden war, ist in der Nacht zum Freitag als zentrale Figur ein sechster Deutsch-Araber festgenommen worden. Drei Monate nach dem Überfall auf das Pokerturnier haben die Ermittler eigenen Angaben zufolge aber erst jetzt den Initiator des Coups gefasst. Zielfahnder verhafteten den 31 Jahre alten Mohammed Abou-C. in Kreuzberg, als er mit seinem Wagen an einer Ampel wartete. Der einschlägig bekannte Mann habe keinen Widerstand geleistet, wie Staatsanwaltschaft und Polizei am Freitag mitteilten.

Mohammed Abou-C. hatte während der Tat offenbar als Spieler an dem Pokerturnier teilgenommen, Kenner hatten ihn als Gast auf Bildern der dortigen Überwachungskameras erkannt. Neben ihm am Pokertisch soll Autorin Charlotte Roche gesessen haben. Inwiefern Abou-C. die unmittelbar aktiven Räuber angeleitet haben könnte, ist bislang unklar.

Insgesamt sind nun sechs mutmaßliche Täter gefasst. Die Festgenommenen sollen am 6. März ein Pokerturnier im Hyatt-Hotel am Potsdamer Platz überfallen haben und mit insgesamt 242 000 Euro Beute geflohen sein. Die Justiz hatte wenige Tage nach der Tat einen erst 21-Jährigen festgenommen, mit dessen Auto die Männer zum Tatort gefahren waren: Vedat S. verriet in Verhören drei unmittelbar beteiligte Komplizen, die daraufhin mit internationalem Haftbefehl gesucht wurden. S. kam deshalb in den Genuss der Kronzeugenregel, die mildere Strafen – bis hin zur Bewährung – vorsieht. Nach deren Festnahme wiederum erfuhren die Beamten vom 29-jährigen Onkel eines der Verhafteten. Er galt seitdem als Kopf der Gruppe.

Vedat S. ist der einzige der sechs Männer, der sich wegen der Kronzeugenregel auf freiem Fuß befindet. Seinen Beuteanteil von rund 40 000 Euro hatte er eigenen Ankündigen zufolge zurückbringen wollen. Bisher folgenlos. Der bislang als mutmaßlicher Kopf der Gruppe geltende 29-Jährige hat mit vermutlich mehr als 80 000 Euro am meisten Geld eingesteckt. Davon könnte er, so wird in Justizkreisen vermutet, den älteren Mohammed Abou-C. als Tippgeber bezahlt haben. Die Beute des Überfalls ist aber bis auf 4000 Euro verschwunden.

Außer gegen Mohammed Abou-C. wird in drei Wochen nun Anklage wegen schweren Raubes erhoben. Nach Recherchen dieser Zeitung werden weitere Anwälte für ihre Mandanten die Kronzeugenregelung fordern. Das heißt, sie hoffen, dass das Gericht ihre Aussagen als entscheidend für die Aufklärung der Tat anerkennt. „Dass heißt aber, die müssen ihre Chefs in den Dreck ziehen“, sagte ein Justizmitarbeiter am Freitag. Derzeit geht man in Gerichtskreisen davon aus, dass jeder der Verteidiger sich nur mit seinem Mandanten absprechen wird, eine Kooperation zwischen den Angeklagten wird es demnach nicht geben.

Das Milieu, in dem sich die Männer vor ihrer Festnahme bewegten, gilt als gefährlich. Sie alle sollen dem einschlägig bekannten Berliner Clan Abou-C., der aus dem arabisch-kurdischen Südosten der Türkei stammt, zumindest nahestehen. Von Zusammenhalt der Verdächtigen aus dem Milieu der einschlägig bekannten Familie Abou-C. könne keine Rede sein. „Bei denen ist sich jeder selbst der Nächste“, sagte ein Ermittler.

Die Großfamilie soll angeblich auch einen gut verdienenden Berliner Rapper schützen – gegen Geld, behaupten einige. Nach offiziell unbestätigten Angaben von Kennern des Milieus soll der nun Festgenommene in der Filmbiografie des Musikers Bushido „Die Zeiten ändern dich“ mitgespielt haben. Für die Beleidigung eines Polizisten muss Rapper Bushido übrigens bald 10 500 Euro zahlen. Er soll 2009 bei einer Verkehrskontrolle in Kreuzberg einen Beamten als „Hampelmann“ bezeichnet haben.

Fahnder haben die Großfamilie Abou-C. seit Jahren im Visier. Versuche, Schutzgeld zu erpressen, Drogendelikte und Einbrüche habe es gegeben, sagen Juristen. Vor zwei Jahren sperrten junge Männer aus dem Umfeld des Clans einen säumigen Bekannten ein, dem sie 150 000 Euro geliehen haben sollen – für 20 000 Euro Zinsen. Im Keller einer Bar sollen sie ihn gefoltert haben, bis Verwandte das Geld zahlten.

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