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Zu hoch gepokert. Eine Polizistin zeigte am Mittwoch Fotos von drei Männern, die am Raubüberfall auf das Poker-Turnier im Hyatt-Hotel beteiligt gewesen sein sollen. Ein vierter Täter hatte sich der Polizei gestellt und die Namen der angeblichen Komplizen genannt.

© ddp

Von André Görke, Hannes Heine und Johannes Radke: Polizei: Poker-Räuber verriet seine Komplizen

Nachdem sich ein 21-Jähriger stellte, war gestern Nachmittag die halbe Bande festgenommen

Stand:

Berlin - Am Nachmittag dann war die halbe Bande festgenommen: Im U-Bahnhof Rosenthaler Platz in Mitte konnte die Polizei den zweiten von vier Pokerräubern festnehmen – „eher zufällig bei einer Routinekontrolle“, wie es bei der Polizei am Abend hieß. Die Beamten waren gegen 17.15 Uhr wegen eines Streits in den U-Bahnhof geeilt, doch der hatte sich längst aufgelöst – da kontrollierten die Polizisten noch eine andere Gruppe von vier Männern, die sich dort aufhielt. Einer davon war der staatenlose Ahmad El-A., der zu den Polizisten gesagt haben soll: „Ihr sucht mich eh schon.“ Dann wurde er abgeführt.

Der 20-Jährige aus Kreuzberg ist kein Unbekannter bei der Polizei, er soll schon sieben Mal als Tatverdächtiger in das Visier der Beamten geraten sein. Noch am Abend wurde er im Landeskriminalamt am Tempelhofer Damm vernommen.

Zwei der vier Männer sind also in Haft, das ist der Stand vom späten Mittwochabend. Noch immer fahndet die Polizei nach den beiden anderen Flüchtigen. Und auch sie kommen aus Neukölln und Kreuzberg, sind einschlägig bekannt – und mit 200 000 Euro Beute auf der Flucht.

Gesucht wurde in der Nacht noch 19-jähriger, der in Deutschland geborener Jihad Khaled Chetwie. Er wurde mehrfach wegen Raub und Körperverletzung verurteilt. Der dritte Gesuchte ist der 20 Jahre alte Mustafa Ucarkus aus Neukölln. Er wird als Intensivtäter geführt und war bereits wegen mehrerer Raubüberfälle in Haft.

„Der Fall ist damit weitgehend aufgeklärt“, hatte Oberstaatsanwalt Sjors Kamstra schon am Morgen gesagt. Zum Ermittlungserfolg verhalf ausgerechnet der vierte Täter. Am Montag hatte sich der 21-jährige Deutsche mit Migrationshintergrund, der auf den Videos des Überfalls an seiner roten Jacke zu erkennen ist, der Polizei gestellt – und die Tat gestanden. Auf seine Spur waren die Ermittler durch Zeugenaussagen über den Fluchtwagen gekommen. Der schwarze Mercedes, der inzwischen sichergestellt wurde, habe direkte Hinweise auf den Verhafteten geliefert, sagte Kriminaldirektor Stefan Teller. Vermutlich ahnte der Täter, dass es nur eine Frage der Zeit sein würde, bis die Polizei ihn gefasst hätte. Der junge Mann, der mit Anwalt bei den Ermittlern erschien, nannte den Beamten „nach intensiver Befragung“ die Namen seiner Komplizen.

„Das Ding war zu krass, die hätten wissen müssen, dass sie danach nicht wegkommen werden“, sagte ein Ermittler, der sich jahrelang mit spektakulären Raubtaten befasst hat. „Deren Chance wäre allenfalls das Ausland gewesen, und damit ist nicht Polen oder Italien gemeint, sondern richtig, richtig weit weg.“

Als am Dienstag schließlich Spezialeinsatzkommandos die Wohnungen der Tatverdächtigen stürmten, waren diese schon geflüchtet. Nach Darstellung des Verhafteten war er derjenige, der vor dem Überfall den späteren Tatort ausgekundschaftet hatte. Nach der Tat hätten die Männer das Geld geteilt. Der 21-Jährige kündigte an, seinen derzeit versteckten Anteil zurückzugeben.

Ob dem geständigen Täter ein Deal angeboten worden ist? „Wir versprechen nur die Gerichtsverhandlung“, sagte Staatsanwalt Kamstra. Allerdings sei denkbar, dass in diesem Fall die Kronzeugenregelung in Betracht komme. Danach kann einem Täter, der die gesamte Tat aufzuklären hilft, eine milde Strafe oder sogar Straffreiheit in Aussicht gestellt werden. Bereits am Freitag hatte die Polizei einen Verdächtigen festgenommen, der aber für die Tatzeit ein Alibi vorweisen konnte und freigelassen wurde. Merkwürdig ist, dass bei ihm ein Zettel mit sechs Namen gefunden wurde, darunter drei der mutmaßlichen Täter beim Poker-Raub. Der Fund bleibt Ermittlungsgegenstand.

Kriminologe Heinz Cornel von der Alice-Salomon-Hochschule erwartet nicht, dass die flüchtigen Räuber entkommen. „Mit der Veröffentlichung ihrer Namen haben die Täter keine Chance mehr, ein geregeltes Leben zu führen“, sagte Cornel. Die Beute sei zu gering, um ein neues Leben im Ausland zu starten, außerdem versuche in so einer Situation jeder das Beste für sich herauszuholen. „Wenn die nicht ganz enge Verbindungen haben, wird die Gruppe die enorme Spannung nicht aushalten.“ Irgendwann werde der nächste Täter aufgeben.

Bestätigt fühlen dürfte sich die Polizeigewerkschaft. Sie hatte nach der Tat eine schnelle Festnahme prophezeit – etwas voreilig, mutmaßten Kritiker. Der Polizeiverband sprach über die Tat vor laufenden Überwachungskameras sogar von einer „neuen Dimension von Dummheit“.

Elf Tage hat es nun gedauert, da waren es nur noch zwei Flüchtige.

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