Brandenburg: Polizei will nicht Bus und Bahn fahren
BVG-Chef fordert Geld für mehr Sicherheitspersonal, der Senat winkt ab
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Berlin - Es ist ein gefährlicher Job, Busse und Bahnen durch Berlin zu lenken. Fast täglich werden zurzeit Übergriffe auf BVG-Personal gemeldet, Beleidigungen gehören inzwischen zur Routine für Fahrer. Die BVG würde gern zusätzliches Sicherheitspersonal einsetzen – nur dafür fehle das Geld, sagte jetzt erneut der BVG-Chef Andreas Sturmowski. Und der Senat will keine zusätzlichen Mittel locker machen. Der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) wünschte sich mehr Unterstützung durch die Polizei. In London etwa bezahle die Stadt 2000 Polizisten, die nur in Bussen und Bahnen eingesetzt werden. In Berlin sind die gemeinsamen Streifen zwischen BVG und Polizei 2003 eingestellt worden. Eine „Wiedereinführung dieser bewaffneten Fahrscheinkontrollen“, sei ausgeschlossen, sagte Polizeipräsident Dieter Glietsch am Montag. Wenn sich irgendwo Straftaten häuften, werde es „jederzeit gemeinsame Streifen“ geben. Die frühere „flächendeckende“ Bestreifung sei nicht effektiv gewesen.
Mehr Sicherheitspersonal ja, aber keine weiteren Zuschüsse vom Land Berlin an die BVG: So lautet mehrheitlich die Position der Berliner Politik. SPD-Innenpolitiker Thomas Kleineidam betont, „die Sicherheit in U-Bahnen und Bussen ist Sache der BVG“. Er unterstütze jedoch nicht die Forderung des BVG-Chefs Andreas Sturmowski, einen Wachmann pro U-Bahnzug einzusetzen. „Das ist nicht finanzierbar“, sagte Kleineidam. Und mehr Geld aus der Landeskasse könne es schon gar nicht geben. Auch die Linke will keine öffentlichen Mittel dafür bereitstellen. Nur die Grünen fordern den Senat auf, dies zu prüfen.
Kleineidam ebenso wie der CDU-Innenpolitiker Peter Trapp halten es eher für möglich, dass die Fahrpreise erhöht werden. „Zehn Cent Aufschlag für die Sicherheit sind zu verkraften“, sagte Trapp, zugleich Vorsitzender des Innenausschusses. Über die Sicherheit im öffentlichen Nahverkehr wollen die Innenpolitiker auf der nächsten Ausschusssitzung sprechen. Auch Trapp lehnt einen weiteren Zuschuss des Landes ab, ebenso wie Sturmowskis Ansinnen, einen Wachmann pro U-Bahn-Wagen einzusetzen. Stattdessen müsse die Videoüberwachung ausgebaut werden.
In anderen deutschen Großstädte sind Übergriffe gegen Busfahrer selten. „Das Phänomen kennen wir nicht“, hieß es in Köln. Zwar gebe es „Streitereien zwischen Fahrgästen und Fahrern – aber keine Attacken“. In Hamburg sagte ein Sprecher, Angriffe seien „sehr selten“. Nachdem es vor zwei Jahren eine „kleine Häufung“ in Großsiedlungen gegeben habe, seien dort die Polizeistreifen verstärkt worden. Zudem hätte der Hamburger Verkehrsbetrieb Sicherheitspersonal an bestimmten Haltestellen und in Bussen postiert. „In den letzten Wochen und Monaten hat es keinen Fall gegeben“, hieß es auch in München. Aus Oberhausen dagegen wurden kürzlich Angriffe auf Busfahrer gemeldet. Da sich diese auf eine Linie vor einer Großdiskothek konzentrierten, wurde die Haltestelle mit Videokameras ausgerüstet, zudem wurden Wachleute für die Wochenend-Nächte engagiert.
Begleitpersonal soll auch in den S-Bahnen im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) üblich werden. In 90 Prozent der Züge sollen von 19 Uhr an Sicherheits- und Servicepersonale mitfahren – finanziert über den Verkehrsvertrag. Weil die Bahn AG nach VRR-Ansicht diese Vorgaben nicht erfüllt hat, kündigte der Verkehrsverbund den Verkehrsvertrag. Der VRR hat jetzt selbst fünf Sicherheitsfirmen beauftragt. Die Kosten muss der Verbund zusätzlich aufbringen. Dies sei so mit den politischen Gremien, die den VRR mitfinanzieren, vereinbart worden, sagte VRR-Sprecherin Sabine Tkatzik. Die Politik forderte die Begleiter – vor allem auch als Servicekräfte. So werde der Nahverkehr noch attraktiver. In Bochum und Gelsenkirchen hat der Verkehrsbetrieb Bogestra in einem Modellversuch 225 Begleiter in Bahnen und Bussen eingesetzt. Das Projekt sei so erfolgreich gewesen, dass jetzt 80 Dauerarbeitsplätze entstehen sollen, sagte Tkatzik. Auch die BVG setzt Begleiter in Bussen ein – rund 30 zumeist ehemalige Fahrer, die für den Fahrdienst untauglich geworden sind.
In diesem Jahr ist die Zahl der Gewalttaten in Berlins Bussen und Bahnen laut Polizei „stark zurückgegangen.“ 2007 hatte es 4759 Körperverletzungen bei BVG und S-Bahn gegeben. Die Statistik unterscheidet nicht zwischen Personal und Fahrgästen. Die BVG führt eine eigene Statistik über Angriffe auf das Personal. Der VBB fordert deshalb einen „einheitlichen Wissensstand“ bei allen Beteiligten – wie es auch der VRR praktiziert.
Pariser Verhältnisse sieht die BVG indes noch nicht. In der französischen Hauptstadt haben die Verkehrsbetriebe Buslinien in Vororte, auf denen es häufig Übergriffe aufs Personal oder auf Fahrgäste gegeben hat, einfach eingestellt. S.Beikler, J.Hasselmann, K.Kurpjuweit
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