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Brandenburg: Prävention im Klassenzimmer

Berliner Schulen entwickeln Konzepte für verhaltensauffällige Jugendliche. Von Straftaten erfahren die Lehrer aber nur in Einzelfällen

Von
  • Sabine Beikler
  • Ulrich Zawatka-Gerlach

Stand:

Berlin - In der Debatte über Jugendgewalt wird im Moment vor allem über härtere Strafen diskutiert. Dabei wird ein Aspekt oft aus den Augen gelassen: Die Bekämpfung der Ursachen, die zur Gewalttätigkeit von Jugendlichen führen. Präventionsarbeit leisten – in den Elternhäusern, in Schulen und den besonders betroffenen Stadtteilen – und so früh wie möglich damit anfangen, fordern die Experten.

Bei der Präventionsarbeit sind vor allem die Schulen gefordert. „Wir müssen aktive Arbeit mit den Schülern machen. Das ganze Gesabbele im Ethikunterricht oder die Diskussion um Kopfnoten bringt doch gar nichts“, sagt Karla Werkentin, Schulleiterin der Heinz-BrandtOberschule in Berlin-Weißensee. Sie beklagt, dass die Schule sich für jedes Projekt selbst eine Finanzierung suchen muss.

„Wir versuchen, aus den Böcken Gärtner zu machen“, umschreibt Vertrauenslehrer Reiner Haag von der Tempelhofer Werner-Stephan-Oberschule die Arbeit mit auffälligen Schülern. In dieser Schule lernen 33 Nationalitäten, die Migrantenquote liegt bei 50 bis 60 Prozent. Haag will den Schülern durch Verantwortung mehr Selbstbewusstsein geben, damit dadurch auch mal Misserfolge besser verkraftet werden. In der Oberschule werden 80 von 280 Schülern zu Streitschlichtern und Vertrauensschülern ausgebildet. Die Schüler geben sich selbst Regeln, sogenannte Schulversprechen, deren Einhaltung am Ende des Schuljahres überprüft wird. Diese Schulversprechen hängen in jeder Klasse. Darin wird zum Beispiel geregelt, dass Handys im Unterricht ausgeschaltet bleiben, die Toiletten sauber verlassen werden, oder dass keine Prügelei angefangen wird. Ist ein Schüler außerhalb der Schule straffällig geworden, erfährt Haag das in der Regel von ihm selbst. „Wenn aber ein Schüler an unsere Schule verwiesen wird, wäre es schon hilfreich, wenn wir seine Vorgeschichte kennen“, sagt Haag.

Obwohl Berlins Justiz- und Bildungsverwaltungen nicht müde werden, immer wieder auf die gute Vernetzung von Jugendämtern, Schule und Justiz zu verweisen, ist es für viele Schulleiter höchst ärgerlich, wenn sie von manchen Straftaten ihrer Schüler nichts erfahren. „Wir erhalten davon oft erst informell in der Helferkonferenz Kenntnis, wenn der polizeiliche Präventionsbeauftragte und Vertreter von Schule und Jugendamt mit Psychologen oder Eltern wegen eines Jugendlichen an einem Tisch sitzen“, sagt Schulleiterin Werkentin. Sie fordert wie andere Schulleiter, dass sie früher von Straftaten eines Schülers informiert wird, um so schnell Schulpsychologen einzuschalten oder andere Hilfsangebote in die Wege zu leiten.

„Wir geben in Einzelfällen Auskünfte über Verfahren den Schulen weiter“, sagt Michael Grunwald, Sprecher der Staatsanwaltschaft Berlin. Das werde „individuell“ von Staatsanwälten oder der Polizei so gehandhabt. Auch der Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix hat „im Prinzip“ nichts dagegen einzuwenden. Aber: „Es darf nicht sein, dass routinemäßig über jedes anhängige Verfahren informiert wird. Das muss die Staatsanwaltschaft im Einzelfall prüfen“, sagt Dix.

Zählt man zusammen, was der Berliner Senat für Personal, Förderprojekte und Einrichtungen ausgibt, die dabei helfen, Jugendgewalt einzudämmen, kommt man auf dreistellige Millionenbeträge pro Jahr. Dazu gehören der kostenlose Kita-Besuch, Deutschkurse für Eltern, Hilfen zur Erziehung, Fortbildung von Lehrern und die Einstellung von Sozialpädagogen und anderem Fachpersonal. Außerdem spezielle Programme des Migrationsbeauftragten und der Arbeitsverwaltung, um sozial- und bildungsschwachen Kindern und Jugendlichen bei der Schul- und Berufsausbildung zu helfen. Teilweise in enger Zusammenarbeit mit der Industrie- und Handelskammer. Allerdings sind in den vergangenen Jahren die Mittel im Jugendhilfebereich gekürzt worden.

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