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Brandenburg: Problemkinder ins Visier nehmen

Thorsten Metzner

Stand:

Was Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) in der jüngstem Polizeistatistik verkündete, passt auf den ersten Blick nur schwer zusammen: Erfreulicherweise geht die Kriminalität in Brandenburg zurück, werden etwa weniger Autos und Fahrräder gestohlen. Aber gleichzeitig nehmen die Gewaltdelikte weiter zu, sogar in erschreckendem Maße. Die spektakulären, besonders grausamen Verbrechen, ob die neun getöteten Babys von Frankfurt (Oder), der erschlagene Teenager in Potzlow oder der tote Dennis in der Tiefkühltruhe, sind tatsächlich nur die Spitze des Eisberges.

Jörg Schönbohm, der wertkonservative Innenminister, sieht die tieferen Gründe für wachsende Gewaltkriminalität in einer generellen „Verrohung“ der Gesellschaft. Es stimmt sicher auch, dass immer noch zu viel weggeschaut wird, dass es durchaus auch eine Verbindung zwischen dem Kriminalitätsniveau und der Qualität der Schulen und damit der Bildung eines Landes gibt. Vielleicht liegt das Kernproblem trotzdem tiefer – in der zunehmenden Differenzierung der Brandenburger Gesellschaft, die vor 16 Jahren nach dem Zusammenbruch der DDR homogen war, ohne große soziale Unterschiede, ohne Wohlstandsgefälle. Inzwischen sind Unterschiede gewachsen, zementiert, zwischen einer durchaus wachsenden Mehrheit von „Erfolgreichen“ und einer wachsenden Minderheit von „Verlierern“, die keine Perspektive sieht. Von denen sich viele aufgeben.

Alarmieren muss, wie stark dieser Trend bei Jugendlichen wahrzunehmen ist: Nach der jüngsten Jugendstudie will die Mehrheit der jungen Leute die Ärmel hochkrempeln, anpacken, zeigt soziale Kompetenz. Keine Spur von Verrohung. Aber: Es gibt eine Minderheit von vielleicht fünf Prozent, die das Tempo nicht mithält, die die Schule verweigert, die gewaltbereit ist oder sogar rechtsextrem denkt. Es sind junge Leute, die – wenn Politik ehrlich ist – schon seit längerem niemand mehr beeinflusst. Die Schule nicht, die Polizei nicht, die Eltern nicht, die oft selbst in sozial schwierigen Verhältnissen leben, ohne Orientierungen sind. Man kann über den Begriff sicher streiten: Aber es hat sich in Brandenburg inzwischen eine „Parallelgesellschaft“ herausgebildet, in der eben das Faustrecht regiert. Die Folgen spiegeln sich in der Kriminalstatistik wieder: Jeder zweite Täter, der zuschlägt, der andere bedroht oder verletzt, ist jünger als 21 Jahre. Man muss sogar befürchten, dass durch die demografische Entwicklung das Problem nicht abnehmen, sondern noch zunehmen wird. Die Hoffnung, dass weniger Jugendliche automatisch zu geringerer Jugendgewalt führt, erfüllt sich offenbar nicht. Was getan werden muss? Fest steht, dass sich dieses Land, das schon bald händeringend Facharbeiter suchen wird, junge „Verlierer“ gar nicht leisten kann. Brandenburg muss sich um seine „Problemkinder“ kümmern – so früh, so individuell, so differenziert wie möglich.

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