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Nach einer unblutig beendeten Geiselnahme liegen Kleidungsstücke vor der Bankfiliale am 22.12.2012 im Stadtteil Zehlendorf in Berlin.

© Britta Pedersen/dpa

Bankraub in Berlin-Zehlendorf: Profis überfallen keine Banken

Polizei: Der Berliner Geiselnehmer handelte irrational. Banküberfälle sind aus der Mode - aus guten Gründen.

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Berlin - Noch ist über den Täter, der am Freitag die Deutsche-Bank-Filiale in Berlin-Zehlendorf überfallen hat und einen Angestellten aus Potsdam-Babelsberg neun Stunden lang als Geisel nahm, wenig bekannt. „Wir wissen bislang fast nur, was er selbst von sich erzählt hat“, sagte die Sprecherin der Berliner Staatsanwaltschaft, Simone Herbeth, am Sonntag. Das habe man aber noch nicht prüfen können, „zumal er nicht in Berlin, sondern in Wolfsburg wohnt“. Deshalb seien die Ermittler mit Hochdruck dabei, mehr über den 29-jährigen Mann zu erfahren. Bei den telefonischen Verhandlungen mit Polizeipsychologen, die ihn zum Aufgeben überredeten, gab er als Tatmotiv Finanzprobleme an. Auch habe er erzählt, dass er als Bundeswehrsoldat in Afghanistan im Einsatz gewesen sei.

Gegen den Mann wurde inzwischen Haftbefehl wegen räuberischen Menschenraubes erlassen. Polizeiexperten bezeichneten ihn schon vor dem Ende der spektakulären Geiselnahme als „planlos und irrational“. Das deckt sich mit dem Täterprofil der meisten anderen Kriminellen, die in den vergangenen Jahren in Berlin Geldinstitute überfallen haben. „Für kriminelle Profis sind die klassischen Banküberfälle wegen der erhöhten Sicherheitsvorkehrungen und des immens gestiegenen Risikos kaum mehr interessant“, heißt es bei der Polizei. Daher hat die Zahl dieser Delikte massiv abgenommen. Mitte der 90er Jahre wurden noch durchschnittlich bis zu 100 Geldinstitute in Berlin pro Jahr überfallen, 2002 gab es noch 60 Fälle, danach sank die Zahl auf etwa 20 pro Jahr, 2011 waren es 15 Fälle.

Die Boomzeit des Bankraubs war im Westen in den späten 60er- und den 70er Jahren, als die Banken ihre Filialnetze verdichteten und selbst Ein-Mann- Niederlassungen einrichteten – im Osten waren es die 90er Jahre. Hinzu kamen die politisch motivierten Überfälle terroristischer Gruppen. So raubte die Rote Armee Fraktion (RAF) am 29. September 1970 gleich drei Institute aus. Gesamtbeute: 200 000 DM. Seit den späten 90er Jahren setzen sich die Banken zur Wehr: Erst saßen die Kassierer hinter Panzerglas, dann schaffte man die Kassen ab, erhöhte dafür die Zahl der Geldautomaten. Seither haben die Bankangestellten nur noch Zugriff auf wenige Tausend Euro Bares. Für den Notfall gibt es Sicherheitspäckchen mit präparierten Scheinen, die sich in der Hand des Täters einfärben. Außerdem sind die meisten Filialen videoüberwacht.

Das hat dazu geführt, dass in Berlin etwa jeder dritte versuchte Bankraub misslingt, bis zu 60 Prozent aller Taten werden aufgeklärt. Hat ein Täter Erfolg wie im Januar bei einem Überfall in Schöneberg, bekommt er laut Polizei nur „verhältnismäßig geringe Summen in die Hände“. 2011 waren es im Schnitt 30 000 bis 40 000 Euro. Wird der Räuber erwischt, droht ihm eine Mindeststrafe von fünf Jahren Haft. Wegen der schlechten Aussichten weichen Täter auf Läden oder Lokale aus. Die Zahl der Überfälle hat zugenommen. 2011 gab es 520 solcher Delikte. Die Banken sowie die Konten ihrer Kunden werden heute meist auf raffiniertere Weise angegriffen: Vor allem durch Manipulationen von Geldautomaten. Bei dieser Masche werden Pin-Codes ausspioniert oder Geldscheine durch Klebebänder verdeckt zurückgehalten – das sogenannte Cashtrapping. In Berlin gibt es mehrere tausend Geschädigte pro Jahr. Die brutalere Variante, bei der Geldautomaten aus der Wand gerissen oder gesprengt werden, beschränkt sich auf Einzelfälle – meist in Brandenburg. Ch. Stollowsky

Christoff Stollowsky

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