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Brandenburg: Protest gegen Biogasanlage

Ein ganzes Dorf fühlt sich übergangen – Pläne wurden erst bekannt, als schon längst alles genehmigt war

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Rauschendorf - Lärm, Gestank und eine hässliche Immobilie - die Zukunft im idyllischen Rauschendorf (Oberhavel) sieht nicht besonders rosig aus. Jedenfalls befürchten das die Einwohner. Einen Steinwurf vom Ortseingang entfernt soll auf dem Feld eine Biogasanlage entstehen. Und keiner wusste was.

Edeltraud Krieger steht am Gartenzaun auf ihren Besen gelehnt. Sie besitzt das erste Haus hinter dem Ortseingangsschild und hat später die „beste“ Aussicht auf das neue Kraftwerk. „Das größte Gebäude wird ein Zylinder sein, Durchmesser: 18 Meter und fast 20 Meter hoch“, weiß sie. Ein Nassgetreide-Silo. „Doppelt so hoch wie die Linden an der Straße“, sagt sie und tippt sich an die Stirn. Wenn das Biogas-Kraftwerk kommt, wird die Sonne für Edeltraud Krieger, die schon 40 Jahre in dem Haus wohnt, etwas später aufgehen. Denn die geplante Anlage, die im Osten liegt, wird morgens einen Schatten auf ihr Haus werfen.

„Das Dreiste ist, dass wir nicht gefragt worden sind“, sagt ihr Nachbar Gerhardt Müller-Goldboom. Der aus Berlin stammende Komponist ist Anführer einer Bürgerinitiative, die mittlerweile 32 Mitglieder zählt und sich gegen die Pläne des Investors mit Hilfe eines Anwalts stark macht. „Bereits im Juli 2006 hat das Amt Gransee gemeindliches Einvernehmen erteilt“, erklärt Müller-Goldboom. Im Januar habe das Landesumweltamt die Baugenehmigung ausgesprochen. „Aber erst im März 2007 haben wir aus der Zeitung von den Plänen erfahren.“ Seitdem kämpfen die Anwohner.

Zu ihnen gehört auch Martin Sauer. Der ebenfalls aus Berlin stammende Filmwissenschaftler hat zusammen mit seiner Frau das lange leer stehende Gutshaus in Rauschendorf gekauft. Seminare, Kulturveranstaltungen sollen in dem alten Herrenhaus stattfinden. Kein Hotel, aber Übernachtungen wollen die Sauers ebenfalls anbieten. „Wir haben vom Land Fördermittel bekommen, um hier ein Tourismusprojekt hoch zu ziehen“, sagt der Berliner, der ebenfalls Mitglied der Bürgerinitiative ist und neben vier anderen Familien zu den Widerspruchs-Führern gehört. „Wenn alle 20 Minuten ein 40-Tonner vorbeifährt, wird sich wohl niemand mehr hier wohl fühlen“, sagt er.

Die Mitglieder der Bürgerinitiative zweifeln daran, dass die umliegenden Felder groß genug sind, um genügend Mais als Gärstoff anliefern zu lassen. Sie befürchten, dass auch von weit weg Hühnermist, Mais und Gülle angefahren werden müsste, um genügend Heizleistung zu bringen. Die Reste, die auf die Felder gekippt werden, würden übel riechen und schließlich würden auch die Grundstückspreise fallen. „Wir haben das Gefühl, dass wir von den Behörden entmündigt worden sind“, sagt Müller-Goldboom.

Aus Sicht des Amtes Gransee, das die Gemeinde Rauschendorf verwaltet und des Landesumweltamtes (LUA), das die Genehmigung für den Bau erteilt hat, lief rechtlich alles einwandfrei. Die Anlage ist mit einer Leistung von 500 Kilowatt genehmigt worden, sagt Ulrich Stock, Referatsleiter im LUA für Genehmigungen. Bis zu einer Leistung von 10 Megawatt, also dem 20fachen der Rauschendorfer Planung, sei ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren möglich und das heißt: Ohne öffentliche Beteiligung. Bei der Frage der Einpassung in das Landschaftsbild habe der Landkreis sein o.k. gegeben. Was die Verkehrsbelastung angeht, rechnet Stock mit maximal zehn Lkw-Ladungen täglich, die das Biogasheizwerk beliefern. „Und das nur während der Erntezeit.“

99 Biogasanlagen sind allein in den vier Landkreisen sowie Potsdam und Brandenburg/Havel beantragt worden, die Ulrich Stock verwaltet. 69 davon hat er bereits genehmigt. An eine Anlage mit mehr als 10 Megawatt, bei der die Planungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden müssen, kann sich Stock nicht erinnern. So wie überall habe es auch in Rauschendorf ein reguläres Genehmigungsverfahren gegeben.

So sieht das Frank-Florian Seifert, der Anwalt, den die Bürgerinitiative in die Bresche geschickt hat, nicht. Nach Bauplanungsrecht, so der Experte für Verwaltungsrecht, „sind Anlagen ab 500 Kilowatt nur privilegiert, wenn sie öffentlichen Belangen nicht entgegenstehen.“ Der Investor habe zwar die Anlage zunächst mit 499 Kilowatt beantragt. Ein Erweiterungsantrag liegt allerdings schon beim LUA, wie Seifert von der Behörde erfahren hat. Der Anwalt hält diese „Salami-Taktik“ für rechtlich sehr fragwürdig. Er wolle keine Prognosen zum Ausgang des Prozesses machen. Seiner Meinung nach jedenfalls habe die Bürgerinitiative Argumente, „die sich hören lassen können“. Seine Mandanten seien entschlossen genug, auch vor dem Verwaltungsgericht gegen die Biogas-Anlage zu kämpfen. Es scheint, als wenn hauptsächlich Berliner diesen Streit um das Fleckchen märkisches Land austragen. So wie die Gründer der Bürgerinitiative und ihr Anwalt kommt auch ihr Kontrahent, der Investor Gert Grabowski, aus Berlin. Er ist gespannt auf die Begründung des Widerspruchs, wie er sagt. Denn nach seinen Worten ist die Anlage weder laut, noch riecht sie. Zu einer Mehrbelastung auf den Straßen wird es seiner Meinung nach auch nicht kommen. „Die Lkw müssen schließlich nicht mehr soweit fahren, um ihr Getreide zu liefern.“ Solch einen Widerstand in Rauschendorf habe er nicht erwartet, sagt Grabowski, der schon 25 ähnliche Anlagen konzipiert habe. Vier seiner Kraftwerke seien vom LUA Brandenburg schon genehmigt worden, so der Projekt-Entwickler. Noch vor Weihnachten soll das Erste mit 716 Kilowatt ans Netz gehen. Es befindet sich vor den Toren des uckermärkischen Wilsickow zwischen Strasburg und Pasewalk. „Dort hat es überhaupt keine Probleme gegeben“, wundert sich Grabowski. Was Rauschendorf angeht, will der Berliner Investor jetzt die Gemeinde mit einbeziehen – und die dort lebenden Berliner.

Andreas Wilhelm

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