Brandenburg: Protest gegen Schulschließungen
Unzumutbar lange Schulwege / Wittstocks Bürgermeister kündigt Volksinitiative an
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Potsdam - Mit lautstarkem Protest haben sich gestern vor dem brandenburgischen Landtag rund 500 Menschen gegen Schulschließungen in ihrer Region gewehrt. Im Mittelpunkt stand dabei das Gymnasium in Wittstock (Ostprignitz-Ruppin), dem das Bildungsministerium die Einrichtung siebter Klassen versagt. Die Schule bringt für das kommende Schuljahr nicht die Mindestzahl von 54 Schülern zusammen. Die deshalb drohenden dreistündigen Schulwege seien für die Kinder unzumutbar, sagte Wittstocks Bürgermeister Jörg Gehrmann (parteilos) und kündigte eine Volksinitiative an.
Bildungsminister Holger Rupprecht (SPD) verteidigte seine Position. Die Entscheidung, keine siebten Klassen in Wittstock, Treuenbrietzen (Potsdam-Mittelmark) und Bad Freienwalde (Märkisch-Oderland) zuzulassen, sei nach einem ordnungsgemäßen Verfahren getroffen worden, sagte Rupprecht, der sich den aufgebrachten Demonstranten stellte. In diesem Jahr könne daran nichts mehr geändert werden, für Wittstock und Treuenbrietzen bestehe jedoch die Aussicht, im nächsten Jahr wieder genügend Schüler zu haben und dann ihre Gymnasien fortzuführen. Er müsse verlässlich bleiben, argumentierte Rupprecht. Sonst „hangele“ er sich demnächst von Ausnahme zu Ausnahme. Wissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU) unterstrich: „Es ist keine Schulschließung.“ In Bad Freienwalde, wo es derzeit nur 33 Siebtklässler gibt, setzt der Minister auf eine Kooperation zwischen dem öffentlichen und dem evangelischen Gymnasium in freier Trägerschaft. So könnte die Privatschule beispielsweise nur zwei statt drei Klassen einrichten, so dass sich die Schüler besser verteilen. Mit dem Landkreis Ostprignitz-Ruppin werde derzeit eine „Optimierung des Schülerverkehrs“ für die Wittstocker Gymnasiasten überlegt, sagte Rupprecht nach der Demonstration in der Fragestunde des Landtages.
Würden weniger als die 54 Schüler für siebte Klassen an Gymnasien zugelassen, gefährde dies das von der Kultusministerkonferenz vorgeschriebene Kurssystem und die Qualität des Unterrichts, meinte der SPD-Politiker. Vor der Entscheidung seines Ministeriums habe sich niemand an den Regeln gestoßen, und immerhin hätten 70 von 73 Gymnasien – vornehmlich im ländlichen Raum – die Voraussetzungen erfüllt. An die Demonstranten gewandt, bemerkte Rupprecht: „Mir fehlt der selbstkritische Ansatz.“ Gehrmann reagierte mit Unverständnis. „Da geht mir der Hut hoch.“ Bereits im vergangenen Jahr sei dem Bildungsministerium ein Konzept übergeben worden, wie das Kurssystem auch mit 40 Schülern im sogenannten Ü-7-Verfahren hätte umgesetzt werden können. Das Wittstocker Gymnasium hat derzeit 42 Schüler für den Übergang zur siebten Klasse. Er kündigte eine Volksinitiative zur Erhaltung von Schulen im ländlichen Raum an, die auch die CDU unterstützen will.
Die vor dem Landtagsgebäude versammelten Schüler und Bürger bildeten ein Spalier aus Transparenten und Schildern. Unter anderem stand darauf zu lesen: „Wir bleiben Gym“, „Wir sind das Volk“ und – in Anspielung auf die weiten Schulwege – „4x um den Äquator bis zum Abi“. Dazu bliesen die Demonstranten Trillerpfeifen und bearbeiteten ihre mitgebrachten Trommeln. Dem Protest aus Wittstock hatten sich laut Gehrmann auch Bürger aus Rathenow (Havelland), Perleberg und Pritzwalk (Prignitz) sowie Heiligengrabe (Ostprignitz-Ruppin) angeschlossen. Ronald Bahlburg
Ronald Bahlburg
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