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Von Sebastian Leber: Quanten-Sprung

Fuß nach vorne, Fuß nach hinten, und immer schön in der Luft bleiben: Das ist Jumpstyle. Wie ein seltsamer Tanzstil Berlin erobert

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Wenn Nicolas Götze loslegt, kann er sich auf eines verlassen: Die Leute gucken komisch. Besonders ältere. Und Touristen zücken ihre Fotoapparate. Was bitte soll das denn sein?

Das ist Jumpstyle. Ein neuer Tanzstil, bei dem man ständig in die Luft springt und die Füße dabei abwechselnd nach vorne und hinten kickt – bis zu 160 Mal in der Minute. Es sieht ein bisschen nach Stepptanz aus. Aber gehüpft wird zu Techno, und die Tänzer sind meist Jugendliche oder gerade erst erwachsen.

Nicolas Götze ist 19 und springt täglich zwei Stunden. Die Zeit hat er, weil er gerade für die mündliche Abiturprüfung lernt. Getanzt wird auf Privatpartys und in Clubs, etwa freitags im Cosmos an der Karl-Marx-Allee. Vor allem aber draußen auf öffentlichen Plätzen: vor dem Brandenburger Tor, auf dem Potsdamer Platz, im Tiergarten. Bei Treffen kommen manchmal 50 Jumper gleichzeitig zusammen, um synchron im Takt zu hüpfen.

Jumpstyle ist gleich in mehrfacher Hinsicht eine echte Neuerung. Nicht bloß, weil er so sonderbar aussieht. Früher haben sich neue Trend- Tänze übers Fernsehen und Kino verbreitet: „Dirty Dancing“ machte den Mambo populär, Lambada schwappte über ein MTV-Musikvideo nach Deutschland, ähnlich war es bei Macarena. Jumpstyle ist nun der erste Tanz, der sich komplett übers Internet verbreitet: Denn die Jugendlichen filmen sich beim Tanzen gegenseitig mit Handykameras und stellen das Ergebnis auf Youtube. So dass jeder sehen kann, wie gut – und oftmals: wie grottenschlecht – einer die Sprungtricks beherrscht.

Auf diese Weise hat sich der Tanz erst in den Niederlanden ausgebreitet, dann in Belgien und Frankreich und jetzt in Deutschland. „Ohne das Netz wäre Jumpstyle nie zu uns gekommen“, sagt Nicolas Götze. Auch er selbst hat sich seine ersten Tricks von anderen Internet-Nutzern abgeschaut. Und wenn er sich jetzt mit Freunden zum Springen im Tiergarten verabredet, macht er das im Forum www.jumpstyle-germany.eu publik.

Der Trend wird in den nächsten Monaten noch stärker, sagen die Experten vom Tanzlehrerverband ADTV. Sie haben deshalb eine Übungs-DVD produziert und Kurse organisiert, in denen sie ihren eigenen Tanzlehrern Jumpstyle beibringen. Damit die nicht dumm dastehen, wenn Schüler die neuen Schritte beigebracht bekommen wollen. Gleich mehrere Berliner Tanzschulen starten demnächst neue Kurse. Im Herbst soll es ein Jumpstyle-Großereignis geben: Auf der Jugendmesse „You“ unterm Funkturm sollen so viele Jugendliche gleichzeitig tanzen, wie in die Halle passen. Es haben sich bereits so viele angemeldet, dass der ADTV mit 3000 Teilnehmern rechnet.

Deutsche Meisterschaften gab es auch schon. Die fanden vor zwei Wochen in Niedersachsen statt. Die Berliner haben die Veranstaltung boykottiert. „Wir hätten da locker gewinnen können“, sagt Nicolas Götze. Aber die Organisatoren hatten die Regeln so festgesetzt, dass auch Breakdance-Schritte erlaubt waren. „Das ist nicht echt. Bei sowas machen wir nicht mit.“ Da hat eben die Mannschaft aus Witten bei Arnsberg gewonnen.

Der neue Tanz hat einen positiven, gar nicht beabsichtigten Nebeneffekt: Er verbessert das Image von Techno-Musik. „Normalerweise werden Techno-Partys ja mit haufenweise Drogen in Verbindung gebracht“, sagt Götze. Jumpstyle und Drogenkonsum schlössen sich dagegen aus. Nicht aus ideologischen Gründen, sagt er, sondern aus ganz praktischen: „Wenn ich vorher irgendwelche Mittel nehmen würde, würde ich beim Springen hin und her eiern. Und das sieht einfach peinlich aus.“

Die Tanzschulen Dieter Keller, Broadway, Horst Hegenscheidt und Gerda Keller starten demnächst neue Kurse, alle Adressen unter www.tanzen.de.

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