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Brandenburg: Quantensprung im Osten

Die Bilanz des Landesarchäologen Jürgen Kunow / Zum 1. Juli verlässt er Brandenburg in Richtung Bonn

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Die Bilanz des Landesarchäologen Jürgen Kunow / Zum 1. Juli verlässt er Brandenburg in Richtung Bonn Von Thomas Kunze Wünsdorf - Gern führt Brandenburgs Landesarchäologe Jürgen Kunow Gäste durch sein Reich. Zwar liegt das Domizil der brandenburgischen Bodendenkmalpflege in Wünsdorf (Teltow-Fläming) „weitab vom Schuss“ – doch die Ausstattung kann sich sehen lassen. Da sind zum Beispiel riesige Wannen mit Konservierungsmitteln, in denen gerade mittelalterliche Bauhölzer aus einer Ausgrabung präpariert werden. „Mit unseren modernen Restaurierungswerkstätten zählen wir bundesweit zu den Top Five“, sagte der Wissenschaftler. Neben Stolz schwingt dabei ein wenig Trauer mit, denn in Kürze verlässt der 51-Jährige das Land. Zum 1. Juli wird er neuer Leiter des Rheinischen Amtes für Bodendenkmalpflege in Bonn. Für den Experten für provinzial-römische Archäologie ist es Rückkehr und Aufstieg, denn dort war er bis zur Übernahme des Brandenburger Postens Vizechef. Am morgigen Freitag wird er als Landesarchäologe in Potsdam verabschiedet. Kunow hinterlässt prall gefüllte Fundmagazine. „Das vergangene Jahrzehnt hat für die Archäologie in den neuen Ländern einen Quantensprung gebracht und die der alten Länder zum Teil überholt“, sagt er. Das liege daran, dass im Osten die Infrastruktur komplett neu aufgebaut wurde. Riesige Bauvorhaben, darunter Verkehrstrassen, wurden von Archäologen begleitet, die massenhaft wertvolle Funde von der Steinzeit bis zum Zweiten Weltkrieg machten und viele Stätten dokumentierten. In den historischen Stadtkernen der Mark gruben die Forscher komplette Marktplätze aus. „Wir mussten in einem Jahrzehnt schaffen, wofür der Westen vier Jahrzehnte Zeit hatte. Es ist eine Sternstunde, dass wir bei diesem Bauboom nicht den Überblick verloren, sondern alles Wesentliche untersucht haben.“ Alles in allem wurden seit Anfang der 90er Jahre in Brandenburg mehr als 8000 archäologische Fundplätze entdeckt. „Und doch kennen wir erst zehn Prozent dessen, was der Boden birgt.“ Brandenburgs Kulturministerin Johanna Wanka (CDU) ist des Lobes für Kunow voll: „Er hat in seiner Amtszeit erfolgreich für eine stärkere Bodendenkmalpflege und für alternative Finanzquellen für Grabungen gekämpft. Seine Beharrlichkeit führte dazu, dass unser archäologisches Erbe weitestgehend bewahrt und einige wesentliche Teile davon für die Öffentlichkeit erschlossen wurden.“ Der kompromissbereite Mann mit Augenmaß wird ärgerlich, wenn die Archäologie als Investorenschreck hingestellt wird. „Die Wahrheit ist, dass es keine einzige Investition gibt, die wegen Auflagen durch die Archäologie nicht stattgefunden hat.“ Dabei habe er Verständnis dafür, dass es kleinen Bauherren mitunter schwer wird, die Kosten für die archäologische Sicherung zu tragen. „Deshalb bedaure ich, dass der Denkmalfonds, aus dem man solche Härten hätte abfedern können, nicht wie geplant in das neue Denkmalschutzgesetz gekommen ist.“ Für die Archäologie im Land gibt es gerade noch 60 feste Mitarbeiter, ein Großteil der Ausgrabungen wird schon von privaten Firmen geleistet. Betrübt ist Kunow, dass er die Eröffnung des Landesarchäologischen Museums im Pauli-Kloster von Brandenburg/Havel im Jahr 2006, für das er ein Jahrzehnt lang gekämpft hat, nicht mehr begleiten kann. „Das zerreißt mir das Herz“, gesteht er. „Wenn die Eröffnung der Slawenburg Raddusch vor einem Jahr das Gesellenstück der Archäologie im Land war, dann wird das Pauli-Kloster das Meisterstück.“ Die Kosten für die Restaurierung des Gebäudes und die Dauerausstellung zur Landesarchäologie werden auf rund 14 Millionen Euro veranschlagt. „Ich durfte hier in Brandenburg die einzigartigen 90er Jahre erleben“, resümiert Kunow. „Inzwischen bekommen wir die finanziellen Probleme immer stärker zu spüren.“ Aber den Wissenschaftler Kunow lockt auch die neue Aufgabe: Das rheinische Amt ist mit 140 Mitarbeitern das größte seiner Art in Deutschland.

Thomas Kunze

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