zum Hauptinhalt
Gefährliche Bruderschaft. Wer sich bei den Hells Angels nicht an die Spielregeln hält, muss mit ernsten Folgen rechnen. Am Mittwoch führte die Spur eines Rache-Delikts im Rockermilieu sogar zu einer Razzia im Haus von Claudia Pechstein am Scharmützelsee.

© dpa

Brandenburg: Razzia zum Geburtstag

Die Polizei hat das Grundstück von Claudia Pechstein am Scharmützelsee durchsucht. Ermittler vermuten dort Waffen von einem Überfall im Rocker-Milieu

Von Matthias Matern

Stand:

Frankfurt (Oder) - In Zusammenhang mit Ermittlungen zu einem Überfall im Rocker-Milieu hat die brandenburgische Polizei am Mittwoch das Haus der bekannten Eisschnellläuferin Claudia Pechstein in Diensdorf-Radlow am Scharmützelsee (Oder-Spree) durchsucht. Die Durchsuchung habe um zehn Uhr begonnen, teilte Ulrich Scherding, Sprecher der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) den PNN gestern mit. Claudia Pechstein, die am Mittwoch ihren 40. Geburtstag feierte, sei nicht zuvor informiert worden. „Es besteht der Verdacht, dass auf dem Grundstück, das anscheinend nur selten genutzt wird, Tatwaffen oder Tatkleidung versteckt worden sind“, sagte Scherding weiter. Gegen die fünffache Olympiasiegerin selbst bestehe aber kein Verdacht, gegen sie werde nicht ermittelt, stellte er klar.

Auf dem Grundstück und in dem Haus, das Pechstein besitzt, aber nicht bewohnt, wurde laut Staatsanwaltschaft nichts gefunden. Ob an anderen Orten Beweismaterial beschlagnahmt worden sei, stehe bislang nicht fest, sagte Scherding weiter. Insgesamt hatte die Polizei in Zusammenhang mit dem Überfall aus dem vergangenen Jahr gestern sieben Objekte in Berlin und drei in Brandenburg durchsucht. In Berlin standen die Wohnungen von vier Beschuldigten im Visier der Ermittler, außerdem wurden das Vereinshaus der Hells Angels MC Nomads in Lichtenberg sowie eine Gaststätte und ein Bordell in Mahlsdorf mit dem Namen „Saunaklub Luxor“ durchkämmt. Auch in Strausberg (Märkisch-Oderland) durchsuchten Beamte die Wohnung eines Verdächtigen sowie ein weiteres Objekt.

Wie berichtet, wurde im Mai 2011 der damals 50-jährige Ex-Chef der Ost-Berliner Hells Angels, Holger B., auf seinem Grundstück in Altlandsberg bei Strausberg lebensgefährlich von mehreren Tätern mit Messern verletzt. Ermittelt wird wegen versuchten Mordes. Holger B., der Berichten zufolge von einem Bekannten gefunden wurde, den er zuvor noch hatte alarmieren können, musste in eine Klinik eingeliefert werden. Bei dem Überfall hatte es sich um eine Rache-Aktion gehandelt, sagte Scherding. B. soll vor etwa vier Jahren wegen Unregelmäßigkeiten in der Vereinskasse unehrenhaft aus der Bruderschaft entlassen worden sein. Der Status „Bad Standing“, wie es im Milieu heißt, bedeutet, bei den Hells Angels nach dem Rausschmiss auf der schwarzen Liste zu stehen. Das kann unangenehme Folgen haben. Mitglieder dürfen nach Rockerlogik einen derart Entlassenen demütigen. Erst zwei Jahre zuvor war ein Abtrünniger in Berlin-Wartenberg auf offener Straße erschossen worden. Der damals 33-jährige Michael B., auf den zudem eingestochen worden war, verstarb im Krankenwagen, nachdem er sich zuvor noch rund 200 Meter bis zu seinem Wohnblock geschleppt hatte.

Im Fall des Angriffs auf Holger B. seien in zwischen fünf verdächtige Personen ermittelt worden, sagte Ulrich Scherding. Die Spur zu Pechsteins Haus am Scharmützelsee habe über eine Sicherheitsfirma geführt, die vom Lebensgefährten der Eisschnellläuferin, dem Berliner Projektentwickler und Investor Matthias Große, mit der Bewachung beauftragt worden sei. „Zwei der fünf Verdächtigen haben für die Firma das Grundstück am See bewacht“, sagte Scherding. Sie seien dem Umfeld der Hells Angels zuzurechnen. Die Männer hatten offenbar Schlüssel für das Haus und ein Auto erhalten. Sie waren per Vollmacht berechtigt, das Grundstück zu betreten. Die Sportlerin hatte damals mitgeteilt, „keinerlei Kontakte oder Geschäftsbeziehungen zu den Hells Angels“ zu haben. Den unerfreulichen Geburtstagsbesuch wollten gestern weder Pechstein noch ihr Lebensgefährte kommentieren. „Wir sagen dazu nichts“, teilte Große auf Nachfrage mit. Auch der Manager der Sportlerin wollte sich nicht äußern.

Laut Spiegel-Online handelt es sich bei einem der beiden Rocker, die im Dienst der Sicherheitsfirma das Haus der Eisschnellläuferin bewachten, um Danilo B., der erst vor drei Jahren selbst Opfer einer schweren Auseinandersetzung im Rockermilieu gewesen war. Damals tobte in der Region Berlin-Brandenburg ein Bandenkrieg zwischen den verfeindeten Hells Angels und dem Bandidos MC um die Vormachtsstellung im regionalen Drogen- und Rotlichtgeschäft. Am 21. Juni 2009 war Danilo B. mit drei anderen Hells Angels nachts auf der B 167 in Finowfurt (Barnim) unterwegs, als ihr Fahrzeug gestoppt wurde und die Rocker von einer Gruppe Maskierter mit Baseballschlägern und Macheten angegriffen wurden. Drei der Opfer wurden erheblich verletzt. Polizeiangaben zufolge erlitt Danilo B., damals 27 Jahre alt, mehrere Stiche an den Beinen und am linken Arm. Zudem wurden ihm die rechte Kniescheibe und der linke Unterschenkel zerschmettert. Ein anderer Hells Angels wurde so schwer von einem Axthieb am Bein getroffen, dass eine Amputation erwägt worden war.

Zwei 28-Jährige, die sich Anfang dieses Jahres vor dem Landgericht Frankfurt (Oder) für den Angriff im Sommer 2009 verantworten mussten, wurden schließlich frei gesprochen. Der Prozess hatte unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen begonnen, brachte aber kaum neue Erkenntnisse. Wie üblich im Rockermilieu schwiegen die beiden Angeklagten im Prozess, und auch die als Zeugen geladenen Opfer sagten entweder nichts oder wollten die Angreifer nicht erkannt haben. Die Staatsanwaltschaft hat gegen die beiden Freisprüche Revision eingelegt. (mit spa, hah)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })