Brandenburg: Rechte Gewalt: Racheakt nach Schlägerei Politiker fordern, Tat als Mordversuch zu werten
Berlin/Potsdam - Die Tat war grässlich, der Ablauf stellt sich aber inzwischen etwas anders dar. Der von Rechtsextremisten in der Nacht zum Sonntag lebensgefährlich verletzte Student Jonas K.
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Berlin/Potsdam - Die Tat war grässlich, der Ablauf stellt sich aber inzwischen etwas anders dar. Der von Rechtsextremisten in der Nacht zum Sonntag lebensgefährlich verletzte Student Jonas K. war nach Informationen dieser Zeitung kein unbeteiligter Passant. Jonas K. habe zur Gruppe junger Linker gehört, die mit den Rechten am S-Bahnhof Frankfurter Allee in Streit gerieten, hieß es am Dienstag in Sicherheitskreisen. Bei der Schlägerei hatte ein Rechtsextremist am Kopf eine Platzwunde erlitten. Gegen K. wird nun, wie im Fall der anderen Linken, wegen des Verdachts auf gefährliche Körperverletzung ermittelt. Einen weiteren Linken, der auch der Gruppe zugerechnet wird, nahm die Polizei am Montag fest. Der Mann sollte am Dienstag dem Haftrichter vorgeführt werden. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautet ebenfalls gefährliche Körperverletzung.
Die ersten Erkenntnisse der Polizei zur Tat hatten zunächst ein anderes Bild ergeben. Die Ermittler gingen am Sonntag davon aus, dass die Linken nach der Auseinandersetzung verschwunden waren und kurz darauf Jonas K. zufällig vorbeikam. Unstrittig bleibt, dass die Rechtsextremisten den Studenten schwer misshandelten. Einer der Täter legte den offenbar schon völlig wehrlosen Jonas K. mit dem Gesicht nach unten auf den Gehweg und trat ihm auf den Kopf. Im Juli 2002 hatte ein Rechtsextremist im brandenburgischen Potzlow einen Schüler mit einem Sprung auf den Kopf ermordet.
Was sich in Friedrichshain abgespielt hat, ist allerdings noch nicht vollkommen geklärt. Bislang gilt folgende Version als wahrscheinlich: Die vier Rechtsextremisten kommen gegen 5 Uhr 40 aus der Diskothek Jeton an der Frankfurter Allee. Im Jeton verkehren häufig Hooligans und Neonazis. Eine Gruppe von etwa zehn Linken sieht, dass einer der Rechten eine Jacke der in der braunen Szene beliebten Marke Thor Steinar trägt. Die Linken gehen aggressiv auf die Rechten zu, es kommt zur Schlägerei. Einer der Rechten bekommt eine Platzwunde ab, die Linken hören auf und entfernen sich. Warum Jonas K. zurückbleibt, ist unklar. Die Rechtsextremisten lassen jedenfalls ihre Wut an dem Studenten aus. Der Rechte mit der Platzwunde tritt Jonas K. auf den Kopf. Der Student überlebt nur knapp.
Die vier Rechten aus Berlin und Brandenburg sitzen in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft hält ihnen versuchten Totschlag und gefährliche Körperverletzung vor. Dass die Behörde die Tat nicht als versuchten Mord wertet, stößt in Teilen der Politik auf Verwunderung. Bei einem Bordsteinkick sei es doch eindeutig, dass der Täter das Opfer ermorden wolle, sagte Udo Wolf, stellvertretender Vorsitzender der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. Für den Vizechef der SPD-Fraktion, Fritz Felgentreu, ist es logisch, dass die Staatsanwaltschaft vor Erhebung der Anklage zu prüfen hat, ob versuchter Mord vorliegt.
Brandenburgs Bildungsstaatssekretär Burkhard Jungkamp (SPD) hat indes zu klaren Maßnahmen gegen die rechtsextreme Gewaltszene aufgerufen. Das „abscheuliche Ereignis“ zeige, dass Gesellschaft und Staat im Kampf gegen den Rechtsextremismus nicht nachlassen dürften, sagte der Koordinator des Handlungskonzepts „Tolerantes Brandenburg“ in Potsdam. Erkenntnisse aus dem märkischen Strafvollzug belegten, dass lange Haftstrafen und eine intensive kritische Betreuung zu einer Abkehr von der Gewaltideologie beitragen könnten, sagte Jungkamp. Frank Jansen mit epd
Frank Jansen mit epd
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