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Rechte Szene. Neonazi-Demo in Wittstock im vergangenen Jahr.

© dpa

Brandenburg: Rechter Mob überfiel Jugendwohnheim in der Prignitz

Siebenköpfige Gruppe soll Haus gestürmt und Bewohner verletzt haben. Ein mutmaßlicher Täter hat angeblich Hitlergruß gezeigt

Von Matthias Matern

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Frehne - Gepöbelt, gedroht und randaliert hatten sie angeblich schon oft, dieses Mal allerdings soll es sogar Verletzte gegeben haben – nach einem Angriff auf ein Jugendwohnheim in der Prignitz am Dienstag ermittelt jetzt der Staatsschutz der brandenburgischen Polizei wegen eines möglichweise fremdenfeindlichen Hintergrunds. Der Heimleitung zufolge soll eine siebenköpfige Gruppe aus Jugendlichen und Erwachsenen die Unterkunft im Ort Frehne, in der Jugendliche verschiedener Nationalitäten leben, gestürmt und die Bewohner mit Bierflaschen bedroht haben. Zudem sollen Angreifer sich fremdenfeindlich geäußert und den Hitlergruß gezeigt haben. Unter anderem zwei Heimbewohner, darunter ein Deutschtürke, sollen verletzt worden sein. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin bestätigte den Vorfall, wollte sich aber zu Einzelheiten am Mittwoch nicht äußern.

Der Polizei zufolge wurden am Mittwoch die sieben Beschuldigten im Alter von 16 bis 52 Jahren bereits vernommen. Alle stammen aus dem Ort, hieß es. Der Hintergrund für den Angriff ist bislang aber unklar. Jedoch sollen die Angreifer explizit nach dem Deutschtürken gefragt haben. Berichte, dass der Auslöser ein Streit um ein Mädchen gewesen sein soll, wurden nicht bestätigt.

Michael Arbogast, Heimleiter und Vorstandsvorsitzender des Trägervereins „Kinder und Jugendhilfe ohne Grenzen“, geht zwar ebenfalls von einem Zwist unter Jugendlichen aus, betonte aber am Mittwoch, dass die Einrichtung bereits häufiger Ziel rechter Anfeindungen und Randale gewesen sei. Am Dienstag hätten gegen 17.45 Uhr zunächst drei Jugendliche erfolglos versucht, sich Zugang zum Heim zu verschaffen. „Allen drei hatte ich schon früher einmal das Betreten des Grundstücks verboten. Dass ich der Hauseigentümer bin, hat die gar nicht interessiert“, so Arbogast. Nachdem sie ihn am Dienstag mehrfach angerempelt und gegen eine Wand sowie gegen ein Auto gedrückt hatten, hätten sie das Gelände aber zunächst verlassen.

Nur fünf Minuten später jedoch sind die drei dem Heimleiter zufolge mit einer erwachsenen Frau und drei Männern zurückgekommen und haben das Haus regelrecht gestürmt. Sowohl er selbst als auch andere Bewohner seien mit Bierflaschen bedroht und durch Schläge verletzt worden, so der 49-Jährige. Dem Deutschtürken sei der kleine Finger der rechten Hand gebrochen worden. „Ihm wurde der Finger richtig aus der Gelenkkapsel gerissen“, so der Leiter der Einrichtung. Ein 17-jähriger deutscher Heimbewohner dagegen sei unter anderem am Knie verletzt worden, hätte zudem mehere Hämatome bekommen. Einem dunkelhäutigen Bewohner habe einer der Täter außerdem zugerufen: „So etwas würden wir vergasen“ und den Hitlergruß gezeigt, so Arbogast. Gegen 18.30 Uhr sei der Spuk dann dank des Eintreffens der Polizei vorüber gewesen. Ein weiterer Bewohner hatte inwzischen die Beamten verständigt gehabt, erläuterte der Heimleiter.

Insgesamt sind in der Einrichtung derzeit sechs Jugendliche, darunter auch aus Nigeria und dem Kongo, untergebracht. Das Wohnheim existiert bereits seit 2004 und soll vor allem sozial benachteiligten Jugendlichen eine Zuflucht bieten. Laut Michael Arbogast haben die Anfeindungen bereits vor der Eröffnung noch während der Umbauphase begonnen. „Fenster wurden eingeschmissen, Autos mit Eisenstangen regelrecht kurz und klein geschlagen“, berichtet der Heimleiter. Auch seien schon mal erwachsene Männer mit Baseballschlägern bewaffnet auf das Grundstück gekommen und hätten ihn bedroht. Arbogast spricht ausdrücklich nur von einem „kleinen Kern an Ewiggestrigen“. Zu anderen Personen in Frehne sei der Kontakt ausgesprochen gut, ein kongolesischer Heimbewohner spiele sogar mit anderen Jugendlichen aus dem Ort in der Theatergruppe.

Der polizeilichen Kriminalstatistik Brandenburgs zufolge ist die Zahl rechter Gewalttaten zuletzt deutlich gestiegen. Als Schwerpunkt der Szene gilt zwar der Südosten des Landes, doch auch Wittstock, knapp 40 Kilometer von Frehne entfernt, hat bekanntermaßen ein Problem mit Rechtsextremisten. Zumindest zwei der Angreifer seien ihm unbekannt gewesen und sollen, wie ihm später berichtet worden sei, der rechten Szene zuzuordnen sein, sagte Heimleiter Arbogast.

Burkhard Freese, Ortsvorsteher von Frehne, zeigte sich am Mittwoch von dem Vorfall überrascht. „Ich bin total geschockt. „Dass es solche Übergriffe öfter gegeben haben soll, kann ich mir gar nicht vorstellen“, meinte er. Eine negative Stimmung gegen das Projekt gebe es im Ort jedenfalls nicht, so Frese.

Auch im Amt Meyenburg, zu dem Frehne gehört, kann man sich den Übergriff nicht erklären. Von ähnlich gelagerten Fällen in der Vergangenheit sei ihr nichts bekannt, sagte die stellvertretende Amtsdirektorin Uta Nebert am Mittwoch den PNN und betonte: „Wir haben kein Fremdenfeindlichkeitsproblem im Amtsbereich.“ Matthias Matern

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