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Fischerei: Reise mit ungewissem Ausgang
Immer weniger Aale werden in Brandenburg gefangen. Noch sind die Gründe nicht erforscht. Klar ist aber: Der Weg von den Laichgründen in Havel und Oder ist gefährlicher geworden
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Potsdam - Die Reise der Aale ist lang und beschwerlich und offenbar kommen sie immer seltener ans Ziel. Rund 7000 Kilometer legen junge Aale, auch Glasaale genannt, aus ihrer Kinderstube bis in die großen Flüsse Deutschlands zurück. Sind sie ausgewachsen, machen sie sich wieder auf den Weg: Aus Elbe, Oder, Havel und Rhein geht es zurück in das atlantische Laichgebiet der Aale, in die Sargassosee nahe den Bahamas. Experten zufolge ist der Bestand des begehrten Speisefisches in Deutschland jedoch in den vergangenen 30 Jahren deutlich zurückgegangen. „Das Aufkommen der Glasaale vor den europäischen Küsten ist auf rund vier Prozent der Menge von 1980 zurückgegangen“, sagt Erik Fladung vom Institut für Binnenfischerei (IBF) in Potsdam-Sacrow. Auch im Land Brandenburg seien die Erträge der Berufsfischer „stark rückläufig“.
Was auch dem Havelaal das Leben schwer macht, ist noch nicht restlos erforscht. Vermutlich aber ist es das Zusammenspiel mehrerer Gründe. Im Land Brandenburg wird seit rund fünf Jahren verstärkt versucht, durch das Aussetzen junger Aale die Bestände stabil zu halten. Im Einzugsgebiet der Elbe sind es laut IBF jährlich zwischen 2,5 bis 3,5 Millionen Stück. Früher sei lediglich knapp die Hälfte der Aale ausgesetzt worden, so Erik Fladung. „Ob sich der gesteigerte Besatz langfristig positiv auswirkt, muss abgewartet werden. Die natürliche Einwanderung existiert nur noch in der Elbe. In der Oder ist sie bereist zum Erliegen gekommen.“
Ein Feind des Aals ist schnell ausgemacht. „Der Kormoran ist ein wichtiger Faktor“, sagt Lars Dettmann, Geschäftsführer des Landesfischereiverbandes Brandenburg. „Wenn wir etwas beim Aal erreichen wollen, muss auch bei den Kormoranen etwas geschehen“, sagt er. Der Anteil von Aalen am Speiseplan der Vögel betrage rund 13 Prozent. Etwa 750 000 Aale fielen den Kormoranen jährlich zum Opfer. Seit Jahren ist der geschickte Fischjäger ein rotes Tuch für die Berufsfischer. Noch um 1920 galten die Vögel als praktisch ausgerottet im europäischen Binnenland. In den vergangenen 20 Jahren haben sich die Bestände jedoch auch in Brandenburg gut erholt.
Unter bestimmten Umständen dürfen heute Kormorane im Land Brandenburg geschossen werden. Zudem wurde mit gezielten Verbrämungsaktionen versucht, Brutpaare zu vergraulen – offensichtlich mit Erfolg, wie auch Dettmann einräumt. „Das Kormoran-Management greift bereits. Im vergangenen Jahr hatten wir etwa 2500 Brutpaare. In diesem Jahr sind es noch rund 1800.“ Dennoch fordert der Verbands-Geschäftsführer eine Verträglichkeitsberechnung nach Vorbild Mecklenburg-Vorpommerns. Einem Gutachten der Universität Rostock im Auftrag des Umweltministeriums in Schwerin zufolge seien etwa 1400 Brutpaare für die Arterhaltung notwenig. Im Jahr 2010 waren es noch mehr als 10 000 Paare.
Der landwirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Fraktion im brandenburgischen Landtag, Gregor Beyer, sieht die rot-rote Landesregierung in der Pflicht. Wirtschaftlicher Schaden müsse von den Fischereibetrieben abgewendet werden, ein europaweites Kormoran-Management sei „dringend geboten“, so Beyer.
Professor Matthias Freude, Präsident des Landesumweltamtes Brandenburg, hält Beyers und Dettmanns Ansatz für veraltet. „Das basiert auf Argumenten von vorgestern“, meint Freude. In den vergangenen elf Jahren sei die Kormoran-Population im Land Brandenburg weitgehend stabil. Auch fresse der Kormoran weit weniger Aaal als behauptet, meint Brandenburgs oberster Umwelthüter. Der Aalanteil betrage gerade einmal zwischen einem und drei Prozent.
Den Fischern wirft Freude „Jammern auf hohem Niveau“ vor. Tatsächlich sind die Aalerträge laut des aktuellen Agrarberichtes des Landes zwar ab etwa 1985 stetig zurückgegangen, stagnieren aber seit einigen Jahren auf rund 100 Tonnen jährlich. Nach wie vor werde im Land so viel Aal gefangen wie sonst nirgends in Deutschland. „2009 waren es 126 Tonnen, in Mecklenburg Vorpommern dagegen nur knapp 56 Tonnen, in Schleswig-Holstein sogar nur 14 Tonnen.“ Bei Experten tauche der Kormoran als Grund für den Aal-Rückgang nur noch im Nebensatz auf, so Freude.
„Diskutiert werden auch klimatische Faktoren“, bestätigt der Potsdamer Forscher Erik Fladung. So werde vermutet, dass Veränderungen des Golfstroms den Jungaalen die weite Reise an Europas Küste erschwert. Seit Jahren diskutieren Meereswissenschaftler weltweit die Frage, ob sich der Golfstrom abschwächt. Sollte dies der Fall sein, müssten die Jungaale auf ihrer Reise nach Europa immer mehr eigene Kraft aufbringen, anstatt sich treiben lassen zu können. „Ebenfalls werden klimatische Veränderungen in Sargassosee selbst untersucht“, sagt Fladung. Für viele Jungfische, die es dennoch bis an die Küsten Europas schaffen, ist spätestens dort Schluss: Im großen Stil wird der Glasaal weggefischt. Vor allem in China gilt Aalnachwuchs als Delikatesse. Ein Teil wird zudem in Asien und Europa an Zuchtbetriebe verkauft.
Der Rückweg ist ebenso gefährlich. Wehre und andere Wasserbauten sind schwer zu überwindende Hindernisse auf dem Weg flussabwärts. Allein an der Elbe seien es zwischen 150 und 200 Anlagen, meint Fladung. Vor allem Wasserkraftwerke bringen den Tod. „Die Fische werden dort regelrecht geheckselt.“ Zu allem Überfluss setzt auch ein Parasit den Aalen zu. Ein aus Asien eingewanderter Fadenwurm nistet sich in den Schwimmblasen ein und schädigt sie. Auf ihrer langen und beschwerlichen Rückreise in die Laichgebiete fehlt den Aalen dann der nötige Auftrieb und sie sterben ermattet, bevor sie ihr Ziel erreichen.
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