Brandenburg: Respekt statt Gewalt
Der deutsch-türkische Comedian und Ex-Polizist Murat Topal sprach mit Kreuzberger Hauptschülern
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Berlin – „Ich bin Türke, und ich war Polizist. Das geht beides.“ Murat Topal steht etwas breitbeinig in der Aula der Friedrich-Ludwig-Jahn-Schule in Berlin-Kreuzberg. Wenn er sein Worte mit gespreizten Fingern unterstreicht, fällt die große silberne Uhr an seinem Handgelenk auf. Heute schiebt Topal keinen Dienst als Schutzpolizist mehr, sondern tritt als Comedian im Fernsehen auf und tourt durch Deutschland. Mit rund 80 Schülern der Kreuzberger Hauptschule sprach er gestern über Respekt - sie hörten ihm zu.
„Abziehen“, das ist auch eine Art, sich Respekt zu verschaffen. Einer der Jungs in der Aula macht es vor: „Waffe hoch, Handy abgezogen.“ Dabei formt er die Hand zur Pistole und richtet sie von schräg oben auf die Polizistin, die neben dem deutsch-türkischen Comedian steht. „Stopp Tokat!“ heißt eine Initiative der Kreuzberger Polizei, bei der sie mit Promis in die Schulen geht. „Tokat“ heißt auf Türkisch eigentlich Ohrfeige, oder eben „Abziehen“. Allein in einem der beiden Kreuzberger Polizeiabschnitte seien 2006 etwa 350 Raubtaten begangen worden, in einem vergleichbaren Areal wie Jena waren es gerade mal 40, sagt der Leiter des Polizeiabschnitts Gary Menzel. Er erklärt das damit, dass die Jugendlichen gegenüber schweren Straftaten immer gleichgültiger werden. Oder es sei eben eine Art, sich Respekt zu verschafften. Menzel will mit seinen Polizisten an alle Kreuzberger Schulen gehen.
Ex-Polizist Topal fragt, ob jemand schon Erfahrungen mit Raubtaten gemacht habe. Einige melden sich, einer steht auf und erzählt, wie sie zu sechst ein paar Jungs Handys und Geld abgenommen haben. Bevor er spricht, baut er sich auf: Schultern nach hinten, Arme leicht angewinkelt. „Denk“ doch mal an die Opfer“, sagt ein Mädchen von hinten, erst leise, dann auf Aufforderung Topals noch einmal lauter.
In Kreuzberg komme alles zusammen, was die Kriminalitätsrate potentiell erhöhe, sagt Polizeidirektor Menzel: viele junge, männliche Bewohner ausländischer Herkunft aus sozial schwachen Familien. Er nennt es den „Brennglaseffekt“. Diebstähle gäbe es an der Schule schon, mit Raub hätten sie aber so gut wie keine Erfahrung, meint Konrektor Klaus Peter. „Außerhalb der Schule kommt es in diesem sozialen Umfeld aber natürlich verstärkt vor.“
Die Polizisten wolle klar machen, dass Raub eine schwere Straftat ist. „Einmal fürs Abziehen verurteilt, kann man am Flughafen Schönefeld nicht mal mehr einen Job als Kloputzer bekommen“, erklärt Menzel. Sobald eine Waffe oder körperliche Gewalt mit im Spiel sind, mache es keinen Unterschied, ob man ein Handy klaut oder eine Bank überfällt. Der 15-jährige Dalibor erzählt später, dass er früher auch „viele krasse Sachen“ gemacht habe. Dann drohten seine Eltern abgeschoben zu werden, anlass für ihn, sich zusammenzureißen. Heute will er KfZ-Mechaniker werden, träumt von Familie und Wohnung. Trotzdem genießt er Respekt bei den anderen, das merkt man. Er war es, der mit Topal am lautesten darüber diskutierte, warum manche auf die falsche Bahn geraten.
Ute Zauft
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