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Brandenburg: Revolution vollendet

Vor Springer ist jetzt die „Rudi-Dutschke-Straße“

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Berlin – Hans-Christian Ströbele deutet mit seinem Finger neben das Berliner Springer-Hochhaus. „Da!“, sagt er, „da muss der Eingang gewesen sein. Da sind ein paar von uns durch die Glastür gestürmt, wurden aber gleich wieder rausgedrängt.“ Der Kreuzberger Grüne war dabei, als die 68er einst forderten: „Enteignet Springer!“ Und auch zur Einweihung der Rudi-Dutschke- Straße vor dem Springer-Haus am Mittwochnachmittag haben viele Leute Plakate gebastelt, mit markigen Parolen: „Rudi, der Kampf geht weiter!“ Und natürlich, auch jenes Schild ist zu sehen : „Enteignet Springer!“.

Es ist 17.15 Uhr, als der Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, der Grünen-Politiker Franz Schulz, das Straßenschild enthüllt. Das alte, mit dem Aufdruck „Kochstraße“, ist mit einem roten Klebestreifen durchgestrichen. „Es ist eine große Genugtuung“, ruft Schulz. Applaus, 300 Demonstranten klatschen. Die Kochstraße ist somit zwischen Friedrichstraße und Axel-Springer-Straße nach dem Studentenführer der 68er benannt. Dutschke hatte einst zum Marsch durch die Institutionen aufgerufen. Und lang war auch der Weg zur Umbenennung. Den 2004 begonnenen Diskussionen setzte das Oberverwaltungsgericht vor eineinhalb Wochen ein Ende, als es einen Antrag auf Berufung gegen die Änderung ablehnte.

Alles bleibt ruhig an diesem Nachmittag. An der Straßenkreuzung stehen gelangweilte Polizisten, nur ein Autofahrer, der im Stau steht, schimpft und dreht mit quietschenden Reifen ab. Ein paar Neugierige hören den Reden zu, auch Springer-Mitarbeiter, die aus dem Hochhaus hinab auf die Straße gekommen sind, stehen am Rand, lächeln und plauschen gelassen mit Demonstranten.

Der Ort, hier in Kreuzberg, war nicht zufällig gewählt. Dutschke war einer der Organisatoren der „Enteignet Springer“- Kampagne. Seine Familie ist da, ein Bruder, die Söhne Marek und Hosea sowie Tochter Polly. „Es ist ein gutes Zeichen, dass die Anwohner für die Umbenennung gestimmt haben“, sagt Dutschkes Witwe Gretchen. Und Sohn Marek meint: „Vielleicht sind eines Tages auch die einsichtig, die sein Engagement anders werten. Vielleicht auch die, in dem Gebäude hier.“ Hinter den Scheiben der Springer-Zentrale ist keine Regung zu sehen. Marek Dutschke hatte seinen Vater nie kennen gelernt. Der verstarb am 24. Dezember 1979 kurz vor der Geburt seines Sohnes an den Spätfolgen eines Attentats. Am 11. April 1968 hatte der Hilfsarbeiter Josef Bachmann Dutschke mit drei Schüssen getroffen. Wütende Protestler gaben damals auch der Springer-Presse Schuld an dem Attentat und zündeten Fahrzeuge des Verlags an.

Bezirksbürgermeister Schulz spricht von einer „Mahnung daran, was Presse zu leisten hat“. Sie trage gesellschaftliche Verantwortung und dürfe sich nicht instrumentalisieren lassen. Dann geht“s weiter, der Lkw vorneweg, mit lauter Hip-Hop-Musik die Straße entlang bis zur taz. Dort gab es ein kleines Fest. Die Zeitung hatte die Initiative für die Rudi-Dutschke- Straße gestartet. mj/AG

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