Brandenburg: Rocker: Klinik wählte den Notruf
Berlin: „Bandidos“ eskortierten verletzten Kumpan. Brandenburg: Innenausschuss des Landtags beriet
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Berlin/Potsdam – Es muss ein martialischer Anblick gewesen sein: 15 Mitglieder des Rockerclubs „Bandidos“ marschierten am Mittwochabend in das Krankenhaus in Mitte, dabei war auch ein 22-Jähriger mit blutendem Bein. Er war zuvor mit einem Messerstich in den Oberschenkel nicht lebensbedrohlich verletzt worden und wollte nun die Wunde versorgen lassen. Das Klinikpersonal alarmierte sofort die Polizei. Die Beamten durchsuchten die Männer und beschlagnahmten die im Rockermilieu üblichen Waffen: eine Machete, Messer, aber auch Quarzhandschuhe und Pfefferspray.
Das für Rockerkriminalität zuständige Kommissariat des Landeskriminalamtes (LKA) ermittelt zwar wegen gefährlicher Körperverletzung, doch die Polizei weiß bislang nichts über die näheren Umstände, wie und wo es zu der Verletzung kam. Denn der verletzte „Bandidos“-Rocker schweigt zu den Fragen der Polizei, wie es in der Szene ehernes Gesetz ist. Ob es eine Auseinandersetzung mit Mitgliedern des rivalisierenden Rockerclubs „Hells Angels“ gab, ist damit unklar. „Wir haben derzeit keine Erkenntnisse, ob der Mann schon einmal in derartige Streitigkeiten verwickelt war“, sagte ein Polizeisprecher.
Seit Monaten ist die Lage in Berlin und Brandenburg enorm angespannt, zwischen den „Bandidos“ und „Hells Angels“ waren die äußerst brutal geführten Auseinandersetzungen eskaliert. Die Gruppen streiten sich um Vormacht und Einfluss in der Türsteherszene oder beim Drogenhandel, es geht um organisierte Kriminalität. In Wartenberg im Stadtteil Hohenschönhausen war im August 2009 der 33 Jahre alte Michael B. auf offener Straße erschossen worden, weil er von den „Hells Angels“ zu den „Bandidos“ gewechselt war. Anfang Februar sorgte der Übertritt von 70 Mitgliedern des „Bandidos MC Berlin Centro“ – überwiegend sind es Türken – zu den „Hells Angels“ für Aufsehen. Es gab Warnungen vor einem neuen Rockerkrieg über die Landesgrenzen hinaus. Für die Polizei ist die Gefahr einer weiteren Eskalation angesichts Übertritts äußerst akut. Als Beispiel führen die Brandenburger Sicherheitsbehörden an, dass selbst in Flensburg (Schleswig-Holstein) vor zwei Wochen Rocker aus Berlin und Brandenburg dabei waren, als die verfeindeten Clubs mit Eisenstangen und Äxten aufeinander losgingen. Daher setzt die Polizei in der Hauptstadtregion die Szene mit Kontrollen und Razzien enorm unter Druck. 260 Beamte durchsuchten am Mittwochmorgen 22 Wohnungen und Objekte in Ost- und Südbrandenburg. Sie fanden eine Schusswaffe, eine selbst geschmiedete Axt, zwei Macheten, ein Baseballschläger und 19 Messer. Insgesamt 60 verbotene Gegenstände wurden beschlagnahmt, darunter Drogen, Anabolika, aber auch 900 Euro Dealergeld. Es kam zu 20 Anzeigen wegen Verstößen gegen das Waffen- sowie das Betäubungsmittelgesetz, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Verwendens von NS-Kennzeichen.
Brandenburgs Innenminister Rainer Speer (SPD) erklärte dazu: „Wir werden den Verfolgungsdruck aufrechterhalten und dafür sorgen, dass sich die Rocker hier nicht wohlfühlen.“ Die Landeskriminalämter beider Länder arbeiteten bei der Rockerkriminalität bestens zusammen. Speer legte am Donnerstag im Innenausschuss des Landtages auch konkrete Zahlen vor. Demnach registrierte die Polizei 2009 in Brandenburg 38 Straftaten, die durch die Mitgliedschaft in einem der Rockerclubs motiviert waren, 2008 waren es lediglich zehn. In 12 Fällen ging es um Taten gegen das Leben und die persönliche Freiheit, in zehn um Erpressung, hinzu kommt Drogenhandel. Zudem registrierten die Behörden 179 Straftaten mit Rockerbezug, wenn die Täter Clubmitglieder sind, in der Mehrzahl ging es um illegalen Waffenbesitz und Gewalttaten. Alexander Fröhlich
Alexander FröhlichD
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