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Brandenburg: Rocker rangeln um Reviere

Zwischen Hells Angels und Bandidos herrscht Waffenstillstand – dafür geht es den Clubs um den Gremium MC

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Berlin / Potsdam - In der Welt der Rocker werden die Grenzen neu gezogen. Die Bruderschaften rangeln um Gefolgsleute und Reviere – und das derzeit vor allem in Berlin und Brandenburg. Sicherheitsexperten sprechen gar von einer Übernahmeschlacht unter den Hünen in Lederjacken. Am geschicktesten gingen dabei die Hells Angels vor. Die Platzhirsche im Rockermilieu spielen mit den Muskeln und versuchen so, abtrünnige Chapter – also lokale Ableger – anderer Clubs zum Übertritt zu ermutigen. Neuester Coup: Mehr als 30 Berliner Anhänger des Gremium MC wechselten zu den Höllenengeln. „Die sind auf Probe“, sagte Hells-Angels-Sprecher Rudolf „Django“ T. Das heißt, sie müssen sich noch beweisen.

Nun soll auch in Potsdam versucht worden sein, Gremium-Männer abzuwerben. Gerüchte, wonach sich das dortige Chapter schon ganz den Hells Angels angeschlossen haben soll, bestätigten Fahnder nicht. „Das ist Quatsch“, sagte auch ein örtlicher Gremium-Sprecher. „Uns gibt es noch.“ Allerdings ist über der mit Stacheldraht gesicherten Einfahrt ihres Vereinsheims in der märkischen Landeshauptstadt das Banner „Gremium Potsdam“ abmontiert worden. Drei Jahre nach Eröffnung des von Mauern geschützten Geländes schien es, als hätten die Hells Angels den Kampf um Potsdam gewonnen. Im vergangenen Jahr wurde dort in einer Kneipe auf Gremium-Mitglieder geschossen. Wie in der Szene üblich, folgte prompt Vergeltung: Stunden später schlugen Motorradfahrer einen Höllenengel zusammen. Potsdams Chef der Kriminalpolizei Lars Brückner sagte, „rockerseitig ist Potsdam den Hells Angels zuzurechnen“. Er rechnet ihnen etwa 30 Mitglieder zu. „All das, was sie uns sehen lassen, ist Fassade“, so Brückner. Es gehe in Wirklichkeit um Rauschgift- und Arzneimittelhandel, Zuhälterei, Schutzgelderpressung und Gewalt. „Geschäftsleute aller Art müssen damit rechnen, dass ihnen Schutz angeboten und auch durchgesetzt wird“, so Brückner.

Zu den Kräfteverhältnissen außerhalb der Landeshauptstadt wollte sich der Potsdamer Rocker nicht äußern. „Das müssen die Leute vor Ort selber beantworten.“ Tun sie aber nicht. Auf Fragen an Berliner als auch Brandenburger Rockergruppen wurde nicht reagiert. „Die Hells Angels bauen strategisch klug ihre Macht im Milieu aus“, sagte ein Fahnder mit Blick auf die regionale Rotlichtszene. Rocker versuchen sich oft als Türsteher lukrativer Bars – auch weil sie als Einlasser bestimmen, welche Geschäfte dahinter stattfinden. Die Polizei spricht auch von Schutzgeld, Drogen- und Waffendeals. Rocker bestreiten das.

Erst im Februar hatte sich eine der vier Berliner Sektionen der Bandidos den Hells Angels angeschlossen. Die Überläufer galten als besonders militant, der Coup als waghalsig. Die Bandidos befanden sich noch vor wenigen Monaten in blutigen Konkurrenzkämpfen mit den Höllenengeln, sie stellten ein Foto der Überläufer ins Internet. Brandsätze flogen auf das Vereinsheim der Abtrünnigen. Doch nachdem sich Hells Angels und Bandidos im Juni in Hannover getroffen und ein als Friedensabkommen eingestuftes Papier unterzeichnet hatten, war Ruhe zwischen den Erzfeinden eingekehrt. In dem Papier heißt es, Städten, in denen einer der beiden Clubs vorherrscht, bleiben Mitglieder des traditionell gegnerischen Vereins fern.

Umso mehr können sich die Höllenengel auf die dritte in der Region relevante Rockergruppe konzentrieren: Wie bei Hells Angels und Bandidos besteht auch der harte Kern des Gremium MC hier aus rund 150 Männern. Bundesweit können mehr als 1000 Anhänger mobilisiert werden. Erst im August prügelten sich auf Mallorca auch Gremium-Männer aus Berlin mit dort residierenden Hells-Angels-Anhängern. Sie haben seit diesem Jahr einen Ableger auf der Ferieninsel. Dessen Chef hatte einst die Hells Angels in Potsdam geführt.

Bandidos und Hells Angels arbeiten derweil offenbar daran, die Hannoveraner Erklärung einzuhalten. Kürzlich traf sich die führende Köpfe der Ost-Berliner Höllenengel-Sektion Nomads mit ranghohen Bandidos in der Kreuzberger Kneipe „Wild at Heart“ – die Gäste machten den Rockerchefs unaufgefordert Platz. Vor einem Jahr war ein solches Treffen noch undenkbar. In den von Innenexperten als Rockerkrieg bezeichneten Kämpfen gab es 2009 drei Tote. Politiker forderten ein Verbot der Bruderschaften. Die Ruhe an der Hells-Angels-Front dürften auch die Bandidos nutzen: Aus dem Milieu heißt es, Gremium-Männer aus dem Norden Brandenburgs wollen sich ihnen anschließen. Der Rockerclub bestätigte das Gerücht nicht, aber auch ein Dementi blieb aus.Hannes Heine (mit jab)

Hannes Heine (mit jab)

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