Von Matthias Matern: Rollende Bodenplatte mit Elektromotor
Gemeinsam wollen Mittelständler aus der Hauptstadtregion ein Elektroauto bauen. In Serie fertigen sollen aber die Großen
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Berlin/Potsdam - Noch existiert nur eine Computeranimation, doch in fünf Jahren könnte das erste Elektroauto der Elektromobilitätsmanufaktur Brandenburg von den Fließbändern eines großen Autobauers rollen. In einem gemeinsamen Kraftakt wollen mittelständische Firmen aus Berlin und Brandenburg nicht nur einen Prototypen entwickeln, der sich von bisher gängigen Ansätzen abhebt, sondern gleichzeitig das Innovationspotenzial der Automotive-Branche in der Hauptstadtregion unter Beweis stellen. „Wenn sich das Projekt so realisieren lässt, wie wir es einschätzen, kann ich mir vorstellen, dass in fünf Jahren ein großer Automobilkonzern die Entwicklung übernimmt“, meint Georg Wagener-Lohse, Vorstandsvorsitzender der Fördergesellschaft Erneuerbarer Energien aus Berlin und Initiator der Elektromobilitätsmanufaktur.
Bereits acht Partner hat Wagener-Lohse für das ambitioniertes Projekt begeistert, darunter Spezialisten für Leichtbauweise, Experten für Elektroantriebe und Fahrzeugdesigner. Noch allerdings ist der Anteil von Firmen der Region klein. „Ziel ist es möglichst viele innovative Firmen aus Berlin und Brandenburg für das Projekt zu begeistern. Allein in der Lausitz gibt es ein Potenzial von 13 Unternehmen im Automotive-Bereich“, schätzt der Koordinator der E-Mobility-Offensive.
Bei der Entwicklung von Elektroautos sieht Wagener-Lohse erheblichen Nachholbedarf. „Wir haben in der Premium- und in der Mittelklasse zwar vielleicht die beste Automobilindustrie der Welt, aber bei der Elektromobilität haben Japan, China und die USA die Nase weit vorne.“ Bislang würden deutsche Autobauer offenbar kaum Grund für ein verstärktes Engagement sehen, weil es noch so gut wie keinen Markt gebe, glaubt der Diplom-Ingenieur. Zwar seien BMW und Opel mittlerweile „aufgewacht“, aber meist basieren die Entwicklungen auf bereits etablierter Technologie. „Im Prinzip werden bestehende Modelle umgerüstet.“
Der Prototyp der Elektromanufaktur Brandenburg dagegen soll nach einer anderen Philosophie entstehen. Kernidee ist eine flache Bodenplatte als Chassis, die sowohl Antrieb als auch die Stromversorgung enthält. Statt herkömmlicher Benzin- oder Dieselmotoren einfach einen Elektroantrieb einzusetzen, soll ein im Rad integrierter sogenannter Radnabenmotor mehr gestalterische Freiheit beim Karosserie-Design ermöglichen und das Gesamtgewicht reduzieren helfen. „Im Prinzip ist auf der Bodenplatte jeder Aufbau machbar, vom Transporter bis zur Luxus-Limousine“, beschreibt Wagener-Lohse. Durch die unmittelbare Kraftübertragung und damit verbundene sofortige Beschleunigung sei der Fahrspaß quasi „geschenkt“. Bei 120 Kilometer pro Stunde sei allerdings Schluss.
Auch für das Reichweiten-Problem, das Konstrukteuren bisher Kopfschmerzen bereitet, haben die Partner eine Lösung. Bislang müssen gängige Modelle meist nach etwas mehr als 100 Kilometern wieder an die Steckdose. Eine ebenfalls eingebaute Brennstoffzelle, die Wasserstoff in Strom verwandelt und die Batterien zusätzlich speist, soll die Reichweite auf rund 250 Kilometer steigern. „Die Überkapazität bei der Erzeugung von Windkraft sichert den Nachschub an Wasserstoff. Dass das geht, zeigt das Hybridkraftwerk von Enertrag in Prenzlau“, erläutert Georg Wagner-Lohse. Das Windkraftunternehmen aus dem uckermärkischen Dauerthal hat eine Speichermöglichkeit entwickelt, die überschüssigen Strom durch Elektrolyse in Wasserstoff umwandelt.
Sitz der Elektromobilitätsmanufaktur soll die Stadt Cottbus sein. Dort würde das Projekt von den Kompetenzen an der BTU Cottbus profitieren, so Wagener-Lohse. Neben der Entwicklung des Prototypen wollen die Partner nun Logistik-Unternehmen der Region gewinnen, die ihre Fahrzeugflotten oder zumindest Teile davon auf den Radnabenmotor umrüsten lassen wollen, um dessen Alltagstauglichkeit zu beweisen. Zudem braucht das Projekt eine möglichst große Lobby, eine Förderung der Länder Berlin und Brandenburg gibt es bisher nicht. „Mittelständische Firmen haben häufig Probleme, die öffentliche Hand zu begeistern“, meint der Initiator.
Dafür ist es Wagener-Lohse gelungen, einen Top-Ingenieur der Autobranche mit ins Boot zu holen. Johannes Müller hat zehn Jahre lang für verschiedene Formel 1-Teams, darunter Ferrari und Williams-BMW, gearbeitet und war zuletzt für einen der drei weltweit führenden Automobilentwickler tätig. Warum er sich ausgerechnet für ein mittelständisches Projekt engagiert? „Mich fasziniert der Erfolg in der Sache. Ich möchte zusammen mit klugen Köpfen, die es nach wie vor in Deutschland gibt, etwas erreichen und helfen Deutschland für die Zukunft zu positionieren. Auch im Wettbewerb mit Asien“, meint Müller.
Der ehemalige Formel-1-Ingenieur ist sogar noch ambitionierter als Wagener-Lohse. Bereits in zwei bis drei Jahren könnte die Entwicklung aus der Hauptstadtregion das Interesse der großen Autobauer wecken. „Nicht der Finanzkräftigste, sondern der Schnellste macht das Rennen“, weiß Müller aus Erfahrung.
Auch Marco Limberg von der Berliner Firma A.A.T.S GbR glaubt fest an den Erfolg des Projektes. Der Spezialist für alternative Antriebe und sein Geschäftspartner gehören ebenfalls zum Team der Elektromobilitätsmanufaktur. „Dem Elektromotor gehört die Zukunft und wir haben einfach die richtigen Leute zusammen“, meint der gebürtige Bernauer.
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