zum Hauptinhalt
Dit is Potsdam: Im neuen Landtag tobt ein absurder Streit.

© dpa

Potsdam rot-weiß: Rückkehr zur Folklore

Plötzlich soll alles ganz schnell gehen und der weiße Adler im Plenarsaal des Landtags durch das originale Wappentier ersetzt werden. Architekt Kulka ist entsetzt und will klagen

Stand:

Potsdam - Um den Adler im Plenarsaal des Landtages Brandenburg steuert Parlamentspräsident Gunter Fritsch (SPD) auf eine juristische Auseinandersetzung mit dem Architekten des Landtagsschlosses zu. Fritsch will den weißen Adler im Plenarsaal abhängen und künftig unter dem Wappentier Brandenburgs, dem Roten Adler, die Parlamentssitzungen leiten. Am heutigen Mittwoch wird Fritsch dazu dem Landtagspräsidium einen entsprechenden Antrag vorlegen. Demnach soll der bisherige weiße Adler nach den Entwürfen des Architekten des Landtagsschlosses, Peter Kulka, in der Lobby vor dem Plenarsaal aufgehängt werden. Der weiße Adler war vom Präsidium und der Kunstkommission des Landtags zwar einst abgesegnet worden. Doch die Mehrheit ist Fritsch nun sicher.

Kulka kündigte im Gespräch mit den PNN an, gegen die Pläne notfalls zu klagen. „Dagegen werde ich vorgehen“, sagte er. Sollte der weiße Adler, der die Umrisse des Wappentiers hat, abgenommen werden, werde er gegen die Verletzung seines Urheberrechtes vor Gericht ziehen. Er warnte Fritsch auch vor übereilten Handlungen. „Ansonsten erklärt er mir den Krieg“, sagte Kulka. Die Pläne des Parlamentspräsidenten seien eine „Verunstaltung meiner Arbeit, eine Respektlosigkeit sondersgleichen“. Der Plenarsaal sei als Raum seine künstlerische Arbeit und ein urheberrechtlich geschütztes Werk. Ein roter Adler mache das Raumkonzept des Plenarsaals kaputt. Damit würde der Landtag den Saal zum Kitschobjekt verkommen lassen. Fritsch und den Befürwortern des orginalen Wappentiers warf Kulka im PNN-Gespräch Trotz und Kleinkariertheit vor. „Ein Parlament kann aber mehr sein als ein folkloristisches Gebäude.“ In einem Brief an Fritsch schreibt Kulka, der Plenarsaal verkörpere sein „ künstlerisches Gesamtkonzept für das Landtagsgebäude, außen die weitestgehend historischen Fassaden wieder entstehen zu lassen und im Inneren ein modernes und zeitgenössisches Parlament zu schaffen“. Der weiße Adler lasse Raum für die persönliche Entfaltung der Abgeordneten. „Das Wappentier in einer realistischen Fassung als heraldisches Zeichen“, so Kulka, „würde diesen Gedanken erheblich stören.“

Kulka erinnerte daran, dass unmittelbar neben dem weißen Adler im Bereich des Präsidiums zusätzlich drei Fahnen platziert werden sollten, davon eine Brandenburg-Fahne mit dem originalen Wappentier. Bei einem roten Wappentier an der Wand empfinde er „die Verdopplung neben der Fahne als penetrant“. Zudem seien die Fahnen bisher nicht aufgestellt worden. „Ich bin nicht bereit, diese Diskussion weiter zu führen, bevor nicht die Gesamtsituation vervollständigt ist“, so Kulka. Abschließend heißt es in dem Schreiben an Fritsch: „Eine Herauslösung des Adlers aus dem Saal und eine Umplatzierung an einen anderen Ort macht keinen Sinn.“

Fritschs Vorstoß kam ohnehin überraschend. Er ist zwar seit jeher Anhänger des heraldisch korrekten, also nach dem allgemeinen Wappenwesen historischen überlieferten Wappentiers des Landes Brandenburg mit gelbem Schnabel, gelben Kralllen und gelbem Kleestengel an den Flügeln. Der Auftrag des Landtagspräsidiums lautete aber, er solle zunächst das Gespräch mit Kulka suchen und dann dem Gremium einen Vorschlag unterbreiten. Jetzt hat Kulka dem Parlamentspräsidenten einen Termin am kommenden Montag vorgeschlagen, Fritsch will das annehmen. Dann aber könnte es zu spät sein.

Denn im Präsidium ist Fritsch eine Mehrheit sicher. SPD und CDU üben sich in wertekonservativer Einigkeit. Die CDU forderte schon vor der Eröffnung einen roten Adler, die SPD-Fraktion beschloss dies im Januar und bekräftigte es am Dienstag noch einmal – nachdem Ex-Regierungschef Manfred Stolpe noch Druck gemacht hatte. In einem Interview erinnerte er an die Nachwendejahre und daran, dass der rote Adler Identität in schweren Zeiten stiftete: „Die Menschen hatten durch unser Wappentier ein wenig Halt und wussten, wo sie hingehörten.“ Deshalb will auch Stolpe einen roten Adler im Landtag. Denn: „Die Menschen sollen auch ein bisschen stolz sein auf das Land.“

Zwar ist der CDU für den roten Adler ohnehin jedes Mittel recht, dennoch wundern sich die Christdemokraten über Fritschs Vorgehen. „Hauptsache der Adler in diesem Landtag wird endlich rot“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer Ingo Senftleben. Die mit der SPD regierende Linksfraktion will zunächst Fritschs Gespräch mit Kulka abwarten. Fraktionsvize Stefan Ludwig gab zu Bedenken, dass Kulka das Urheberrecht an dem weißen Adler im Plenarsaal habe. Es sei eine künstlerische Wiedergabe des Landeswappens durch den Architekten. Das Präsidiumsmitglied der Grünen, Marie Luise von Halem, warf Fritsch vor, den Adler wieder einmal ohne Vorankündigung im Präsidium zur Sprache zu bringen. Und die Grünen stehen zur aktuellen weißen Variante. Sie könnten sich höchstens vorstellen, dass der weiße Adler rot wird. Aber das klassische Wappentier lehnen sie ab. Die Debatte lenke ohnehin von den eigentlichen politischen Problemen des Landes ab, kritisierte Grünen-Fraktionschef Axel Vogel. Die FDP-Fraktion hat einen anderen Plan und macht die Adler-Frage zur Gewissensentscheidung aller Abgeordneten. Nach dem Willen der Liberalen soll das Präsidium das Thema ins Plenum des Landtags verweisen, damit alle Abgeordneten darüber abstimmen können.

Unklar ist auch, warum Fritsch jetzt Druck macht. Im September sind Landtagswahlen, er selbst tritt nicht mehr an. Aber offenbar hatte er auch Kulkas Ironie missverstanden und dessen Äußerung als Freibrief betrachtet. Kulka hatte zur Eröffnung des Landtages am 21. Januar völlig entnervt über die Kommentare zum Adler gesagt: „Ich hätte auch lieber die weiße Taube von Picasso dahingehängt als euren weißen Adler.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })